Engelsfeuer
und entzog sich ihrer Umarmung, dann stand er langsam auf. Noch einmal die Tränen weggewischt, und er hatte sein steinernes Gesicht aufgesetzt, das der Welt nicht verriet, wie verletzt er war.
»Komm. Es wird Zeit, dass du meine Mutter kennenlernst.«
Sadie Beck lag allein im Zimmer, ihr Bett stand neben dem Fenster. Ehe Beck um den Vorhang herumging, hielt er kurz inne, als würde er einen zusätzlichen Schutzschild anlegen, bevor er dem Feind gegenübertrat.
Sie sah mindestens zehn Jahre älter aus als fünfzig. Ihre Haut war fahl und faltig, das schulterlange Haar hatte dieselbe Farbe wie Becks, war jedoch mit grauen Strähnen durchzogen. In ihrer Nase steckte ein Sauerstoffschlauch, und jeder Atemzug schien sie ungeheuer anzustrengen. Aus blutunterlaufenen, braunen Augen musterte sie die Besucher misstrauisch. Ihr Hauptaugenmerk lag nicht auf Riley, sondern auf ihrem Sohn.
»Verdammt, ich muss tot sein und das hier die Hölle«, sagte sie. »Wieso solltest du sonst hier aufkreuzen?«
Riley starrte die Frau an. War das vielleicht irgendein seltsamer Witz zwischen den beiden? Sie warf Beck einen raschen Blick zu, und der schmerzliche Ausdruck in seinem Gesicht verriet ihr, dass das kein Witz war.
»Sadie«, sagte er leise. »Fang nicht damit an. Nicht jetzt. Nicht in deinem Zustand.«
Die Patientin begann zu husten, ein heftiger Krampf, der sie im Bett zusammenzucken ließ. Als Beck sich nicht rührte, trat Riley näher, nahm eine Handvoll Papiertaschentücher aus einer Schachtel und reichte sie der Frau. Sadie spuckte hellrotes Blut in das saubere Weiß.
Die Patientin musterte sie scharf. »Und wer ist das? Deine neueste Schlampe?«
Wie bitte? »Nein«, erwiderte Riley. »Ich bin eine … Freundin.« Vielleicht mehr als das .
Ein Schnauben. »Du lügst. Er hat keine Freunde. Stimmt doch, oder Denver?«
»Riley und ich sind gekommen, um dich zu besuchen und …«
Sadie winkte mit einem knochigen Arm ab. »Ich brauche dich nicht. Hab dich nie gebraucht.«
»Ich weiß. Aber jetzt brauchst du mich.«
Sie schüttelte den Kopf. »Keine Sorge. Ich bin schon noch früh genug weg. Das ist doch alles, was du willst.«
»Du weißt, was ich will«, sagte er. Seine Stimme zitterte. »Du hast es gewusst, seit ich alt genug war, um zu sprechen.«
»Das ist jetzt sowieso egal.« Sie hustete erneut, noch heftiger dieses Mal.
»Mr Beck?«, rief jemand. Die Krankenschwester winkte ihn zu sich, und er wirkte nicht sehr erfreut über die Unterbrechung.
Riley war sich nicht sicher, ob sie ihm folgen sollte oder nicht. Unfähig, sich zu entscheiden, blieb sie wie angewurzelt stehen. Von der Tür warf er ihr einen besorgten Blick zu.
»Geh schon«, drängte Riley, und widerstrebend folgte Beck der Krankenschwester auf den Korridor.
Sadie stieß ein kehliges Lachen aus. »Du bist hübscher als die meisten, mit denen er es getrieben hat.«
»Wir sind nicht zusammen. Wir jagen zusammen Dämonen.«
»Ich weiß. Hab’s in der Zeitung gelesen.«
Wenn Sie lesen können, wieso haben Sie es dann nicht Ihrem Sohn beigebracht?
»Dann wissen Sie auch, dass Beck einigen anderen Fängern das Leben gerettet hat.«
Die Frau zuckte die Achseln. »Er hat schon immer den Helden gespielt. Hat ihm nie was gebracht.«
Es war, als hätte sie plötzlich eine außerirdische Spezies entdeckt. Riley runzelte die Stirn und versuchte zu begreifen, wie jemand so hartherzig, so auf sich selbst bezogen sein konnte, dass er nichts wahrnahm außer sich selbst. Es wäre einfach, zu behaupten, es läge an der Krankheit, aber die Bosheit ging so tief, dass Riley spürte, dass es nicht der Fall war.
»Ich finde, Sie sollten stolz auf ihn sein«, sagte sie.
»Ach nee, wie hübsch. Du setzt dich für ihn ein. Du bist genauso dämlich wie ich früher. Ich hab alles geglaubt, was die Kerle mir erzählt haben, und es waren alles Lügen. Das wirst du schon noch früh genug lernen.«
»Diese Lektion habe ich bereits gelernt«, erwiderte Riley. »Beck ist nicht so einer.«
»Er hat dir nicht alles erzählt. Das wird er nie tun. Der vertraut niemandem.« Sadie hatte Mühe, zu atmen. »Frag ihn mal, wieso ich ihn wohl im Sumpf ausgesetzt habe.« Die Frau schüttelte den Kopf. »Erst acht Jahre alt, aber ich wusste, dass er nichts als Ärger machen würde.«
»Sie haben ihn im Sumpf …« Rileys Finger umklammerten das Bettgestell. »Wie konnten Sie das tun? Er ist Ihr Kind!«
»Irgendwie muss man sie ja loswerden.« Sie scheuchte Riley mit einer
Weitere Kostenlose Bücher