Engelsflammen: Band 3 (German Edition)
Cam aus der Vergangenheit ein vor Sorge starres Gesicht machte. Es war ein Gesichtsausdruck, den Daniel bei Cam schon seit Jahrtausenden nicht mehr gesehen hatte. Wahrscheinlich sogar seit diesem Augenblick nicht mehr.
Lilith blieb hinter Cam stehen und schlang ihm die Arme um den Hals, sodass ihre Hände direkt über seinem Herzen lagen. Ohne sich umzudrehen oder ein Wort zu sagen, umfasste Cam ihre Hände. Beide schlossen die Augen, sichtlich zufrieden.
»Das scheint ein sehr privater Augenblick zu sein«, bemerkte Shelby. »Sollten wir nicht besser – ich meine, mir ist nicht ganz wohl dabei.«
»Dann geh«, erwiderte Daniel langsam. »Aber verhalte dich unauffällig, wenn du …«
Daniel brach ab. Jemand kam auf Cam und Lilith zu.
Der junge Mann war hochgewachsen und braun gebrannt, trug ein langes weißes Gewand und hatte eine dicke Pergamentrolle in der Hand. Er hielt den blonden Kopf gesenkt, aber es war ohne jeden Zweifel Daniel.
»Ich bleibe hier.« Miles musterte Daniels früheres Ich.
»Moment mal, ich dachte, wir hätten diesen Kerl gerade zurück in die Verkünder geschickt«, meinte Shelby verwirrt.
»Das war eine spätere frühere Version meiner Selbst«, sagte Daniel.
»Eine spätere frühere Version meiner Selbst, sagt er!« Shelby schnaubte. »Wie viele Daniels gibt es denn nun genau?«
»Er kam aus zweitausend Jahren in der Zukunft, von da an gerechnet, wo wir uns gerade befinden, was immer noch tausend Jahre in der wahren Vergangenheit liegt. Dieser Daniel hätte gar nicht hier sein dürfen.«
»Wir befinden uns jetzt dreitausend Jahre in der Vergangenheit?«, fragte Miles nach.
»Ja, und ihr solltet wirklich nicht hier sein.« Daniel starrte Miles an, bis dieser den Blick abwandte. »Aber diese frühere Version von mir« – er zeigte auf den Jungen, der neben Cam und Lilith stehen geblieben war – »gehört hierher.«
Auf der anderen Seite des Flusses lächelte Lilith. »Wie geht es dir, Dani?«
Sie beobachteten, wie Dani sich neben das Paar kniete und die Schriftrolle entrollte. Daniel erinnerte sich: Es war ihre Heiratserlaubnis. Er hatte sie selbst auf Aramäisch verfasst. Er sollte die Zeremonie abhalten. Cam hatte ihn schon vor Monaten darum gebeten.
Lilith und Cam überflogen das Dokument. Sie passten gut zusammen, erinnerte sich Daniel. Lilith schrieb Lieder für ihn und verbrachte Stunden damit, Wildblumen zu pflücken und in seine Kleider zu flechten. Er öffnete sich ihr voll und ganz. Er lauschte ihren Träumen und brachte sie zum Lachen, wenn sie traurig war. Beide hatten sie ihre launischen Seiten, und wenn sie miteinander stritten, hörte es der ganze Stamm – aber keiner von ihnen war zu diesem Zeitpunkt schon das dunkle Wesen, das sie beide nach ihrer Trennung werden würden.
»Dieser Teil hier«, sagte Lilith und zeigte auf eine Zeile im Text. »Da steht, dass wir am Fluss getraut werden. Aber du weißt, dass ich im Tempel heiraten will, Cam.«
Cam und Daniel tauschten einen Blick. Cam ergriff Liliths Hand. »Meine Liebste. Ich habe dir bereits erklärt, dass ich das nicht tun kann.«
Liliths Stimme wurde schrill. »Du weigerst dich, mich unter den Augen Gottes zu heiraten? An dem einzigen Ort, an dem meine Familie unsere Vereinigung gutheißen wird! Warum?«
»Holla«, flüsterte Shelby auf der anderen Seite des Stroms. »Ich verstehe, was da los ist. Cam kann nicht im Tempel heiraten … er kann nicht einmal einen Fuß in den Tempel setzen, weil …«
Miles begann ebenfalls zu flüstern: »Wenn ein gefallener Engel das Heiligtum Gottes betritt …«
»Geht das ganze Ding in Flammen auf«, beendete Shelby den Satz.
Die Nephilim hatten natürlich recht, aber Daniel war überrascht von seiner eigenen Frustration. Cam liebte Lilith und Lilith liebte Cam. Ihre Liebe hatte eine Chance, und was Daniel betraf, konnte ihm alles andere gestohlen bleiben. Warum beharrte Lilith so darauf, im Tempel zu heiraten? Warum konnte Cam ihr nicht erklären, warum er sich weigerte?
»Ich werde keinen Fuß dort hineinsetzen.« Cam zeigte auf den Tempel.
Lilith war den Tränen nah. »Dann liebst du mich nicht.«
»Ich liebe dich mehr, als ich es je für möglich gehalten hätte, aber das ändert nichts.«
Liliths schlanke Gestalt schien vor Zorn zu platzen. Konn te sie spüren, dass hinter Cams Weigerung mehr steckt e, als ihr nur einen Wunsch abzuschlagen? Daniel glaubte es nicht. Sie ballte die Fäuste und stieß einen langen, spitzen Schrei aus.
Er schien die Erde zu
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