Engelsflammen: Band 3 (German Edition)
waren Schritte im Flur.
Sie bückte sich, um die Flasche aufzuheben, und wandte sich von der Tür ab, um Öl in die Lampe zu gießen. Falls jemand sie im Vorbeigehen sah, dann am besten nur bei ihrer Arbeit.
Die Schritte hinter ihr hielten inne. Fingerspitzen wanderten warm und leicht ihre Arme hinauf, während eine feste Brust sich an ihren Rücken drückte. Daniel. Sie konnte sein Leuchten spüren, ohne sich umzudrehen. Luce schloss die Augen. Er legte ihr die Arme um die Taille und seine weichen Lippen streiften ihren Hals und machten kurz unterhalb des Ohres halt.
»Ich habe dich gefunden«, flüsterte er.
Sie drehte sich langsam in seinen Armen um. Sein Anblick raubte ihr den Atem. Es war natürlich immer noch ihr Daniel, aber seine Haut hatte die Farbe von kräftiger heißer Schokolade, und sein gewelltes schwarzes Haar war sehr kurz geschnitten. Er trug nur einen kurzen Lendenschurz aus Leinen, Ledersandalen und ein enges silbernes Halsband. Seine tief liegenden violetten Augen glitten über sie und wirkten glücklich.
Er und Layla waren unsterblich ineinander verliebt.
Sie legte die Wange an seine Brust und zählte die Schläge seines Herzens. Würde dies das letzte Mal sein, dass sie es tat, das letzte Mal, dass er sie an seinem Herzen hielt? Sie war im Begriff, das Richtige zu tun – das, was für Daniel gut war. Aber es quälte sie trotzdem, daran zu denken. Sie liebte ihn! Wenn diese Reise sie eins gelehrt hatte, dann, wie sehr sie Daniel Grigori wirklich liebte. Es schien nicht fair zu sein, dass sie gezwungen war, diese Entscheidung zu treffen.
Doch hier war sie.
Im alten Ägypten.
Bei Daniel. Zum allerletzten Mal. Sie stand kurz davor, ihn freizugeben.
Ihre Augen schwammen vor Tränen, als er ihr einen Kuss auf den Scheitel gab.
»Ich war mir nicht sicher, ob wir eine Gelegenheit haben würden, Lebewohl zu sagen«, erklärte er. »Ich breche heute Nachmittag in den Krieg nach Nubien auf.«
Als Luce den Kopf hob, nahm Daniel ihre feuchten Wangen in die Hände. »Layla, ich werde vor der Ernte zurückkehren. Bitte, weine nicht. Im Handumdrehen wirst du dich wieder genau wie immer mitten in der Nacht mit Tabletts voller Granatäpfel in mein Schlafgemach stehlen. Ich verspreche es.«
Luce holte tief und bebend Atem. »Leb wohl.«
» Bis bald.« Sein Gesicht wurde ernst. »Sag es: Bis bald.«
Sie schüttelte den Kopf. »Leb wohl, mein Liebster. Leb wohl.«
Der Schilfvorhang teilte sich. Layla und Don lösten sich aus ihrer Umarmung, als eine Gruppe von Wachen mit gezückten Speeren in den Raum gestürmt kam. Kafele führte sie an, sein Gesicht dunkel von Zorn. »Ergreift das Mädchen«, befahl er und zeigte auf Luce.
»Was ist hier los?«, rief Daniel, als die Wachen Luce umstellten und ihr wieder die Hände fesselten. »Ich befehle euch, von ihr abzulassen. Lasst sie frei.«
»Tut mir leid, Kommandant«, erwiderte Kafele. »Befehl des Pharaos. Ihr solltet es inzwischen wissen – wenn die Tochter des Pharao nicht glücklich ist, ist der Pharao nicht glücklich.«
Daniel rief: »Ich werde dich holen kommen, Layla! Ich werde dich finden!«, als sie Luce abführten.
Luce wusste, dass er sie finden würde. War es nicht immer so? Sie begegneten sich, sie geriet in Schwierigkeiten, und er tauchte auf und war ihre Rettung – jahrein, jahraus durch die ganze Ewigkeit, der Engel, der im letzten Moment herbeirauschte, um sie zu retten. Es war ermüdend, daran zu denken.
Aber wenn er diesmal kam, würde sie den Sternenpfeil bereithalten. Der Gedanke sandte einen heftigen Schmerz durch ihre Eingeweide. Ein Brunnen von Tränen öffnete sich wieder in ihr, aber sie schluckte sie herunter. Zumindest hatte sie Lebewohl sagen können.
Die Wachen brachten sie durch eine endlose Reihe von Fluren hinaus in die sengende Sonne. Sie schleppten sie durch Straßen aus unebenen Steinplatten, durch einen monumentalen Torbogen und vorbei an kleinen Sandsteinhäusern und schimmernden, verschlammten Feldern auf dem Weg hinaus aus der Stadt. Sie zerrten sie zu einem riesigen goldenen Hügel.
Erst als sie sich ihm näherten, begriff Luce, dass er von Menschenhand gemacht war. Die Nekropole, erkannte sie in dem gleichen Moment, in dem Layla vor Angst nicht mehr klar denken konnte. Die Totenstadt. Jeder Ägypter wusste, dass dies das Grabmal des letzten Pharaos war, Meni. Niemand außer einigen der heiligsten Priester – und den Toten – wagte es niemand, sich dem Ort zu nähern, wo die Könige begraben lagen.
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