Engelsflammen: Band 3 (German Edition)
geschleppt wurde. Sie bogen um eine Ecke in einen dunklen Flur, wo eine überlebensgroße Steinfigur von Auset stand und auf grimmige Weise schön aussah.
Als Kafele sich umdrehte, um einen Blick auf Luce zu werfen, weil sie mit sich selbst sprach, fiel ihm das lange schwarze Haar übers Gesicht und brachte Luce auf eine Idee.
Es traf ihn unvorbereitet. Sie riss ihre gefesselten Hände hoch und zog fest an seinem Haar, wobei sie ihm den Kopf mit den Fingernägeln zerkratzte. Er heulte auf und stolperte zurück, aus einem langen Kratzer auf seinem Kopf blutend. Dann rammte Luce ihm den Ellenbogen in die Eingeweide.
Er ächzte und krümmte sich. Der Speer fiel ihm aus der Hand.
»Kannst du diese Fesseln lösen?«, zischte Luce Bill zu.
Der Gargoyle ließ die Augenbrauen tanzen. Ein kurzer schwarzer Blitz schoss in die Fesseln und sie lösten sich zischend in Nichts auf. Luce’ Haut brannte, wo sie gesessen hatten, aber sie war frei.
»Ah«, sagte sie und sah kurz auf ihre nackten Handgel enke. Dann nahm sie den Speer vom Boden auf. Sie wirbelte herum und wollte Kafele die Klinge an den Hals setzen.
»Ich bin dir einen Schritt voraus, Luce«, rief Bill. Kafele lag flach auf dem Rücken und seine Hände waren um den Fuß von Ausets Standbild gekettet.
Bill klopfte sich die Hände ab. »Teamwork.« Er warf einen Blick auf den kreidebleichen Wachposten. »Wir sollten uns beeilen. Er wird seine Stimme sicher bald wiederfinden. Komm mit.«
Bill führte Luce schnell durch den dunklen Flur, eine kurze Sandsteintreppe hinauf und durch eine weitere Halle, die von kleinen Lampen erleuchtet wurde und von tönernen Falken und Nilpferden gesäumt war. Zwei Wachposten bogen in den Flur ein, aber bevor sie Luce erblicken konnten, schob Bill sie durch eine Tür mit einem Schilfvorhang.
Sie fand sich in einem Schlafzimmer wieder. Steinsäulen, die so behauen waren, dass sie wie Papyrusbündel aussahen, erhoben sich unter einer niedrigen Decke. Eine hölzerne Sänfte, die mit Ebenholz eingelegt war, stand vor einem offenen Fenster gegenüber einem schmalen Holzbett, das mit so viel Blattgold versehen war, dass es glänzte.
»Was mache ich jetzt?« Luce drückte sich gegen die Wand, falls jemand vorbeikommen und hereinspähen sollte. »Wo sind wir?«
»Dies ist das Gemach des Kommandanten.«
Bevor Luce sich zusammenreimen konnte, dass Bill Daniel meinte, teilte eine Frau den Schilfvorhang und betrat den Raum.
Luce schauderte.
Layla trug ein weißes Kleid, das genauso schmal geschnitten war wie ihres. Ihr Haar war dick und glatt und glänzend. Hinter einem Ohr steckte eine weiße Pfingstrose.
Mit einem Gefühl der Traurigkeit sah Luce, wie Layla zu Daniels hölzernem Schminktisch glitt und aus einer Flasche, die sie auf einem schwarzen Tablett trug, frisches Öl in die Lampe goss. Dies war das letzte Leben, das Luce besuchen würde, und der Körper, in dem sie sich von ihrer Seele verabschieden würde, damit die ganze Sache ein Ende finden konnte.
Als Layla sich umdrehte, um die Lampen neben dem Bett aufzufüllen, bemerkte sie Luce.
»Hallo«, sagte sie mit einer leisen, rauchigen Stimme. »Suchst du jemanden?« Das Kajal, mit dem ihre Augen umrandet waren, wirkte viel natürlicher als Ausets Make-up.
»Ja, das tue ich.« Luce verschwendete keine Zeit. Gerade als sie sich vorbeugte, um das Mädchen am Handgelenk zu packen, sah Layla an ihr vorbei zur Tür, und ihr Gesicht erstarrte vor Schreck. »Wer ist das ?«
Luce drehte sich um und sah nur Bill. Ihre Augen wurden groß.
»Du kannst« – sie starrte Layla mit offenem Mund an –, »du kannst ihn sehen?«
»Nein!«, sagte Bill. »Sie meint die Schritte, die sie draußen den Flur entlangrennen hört. Du solltest dich besser beeilen, Luce.«
Luce fuhr wieder herum und ergriff die warme Hand ihre s früheren Ichs und warf die Ölflasche zu Boden. Layla stieß einen kleinen Laut aus und versuchte, sich loszureißen, aber dann geschah es.
Das Gefühl des tiefen Loches, das sich in Luce’ Magen öffnete, war beinahe schon vertraut. Der Raum drehte sich, und das Einzige, was Luce klar sehen konnte, war das Mädchen vor ihren Augen. Ihr tintenschwarzes Haar und ihre goldgesprenkelten Augen, die Röte der Liebe frisch auf ihren Wangen. Luce blinzelte benommen, und Layla blinzelte, und auf der anderen Seite des Blinzelns …
Der Boden stand wieder still. Luce schaute auf ihre Hände hinab. Laylas Hände. Sie zitterten.
Bill war fort. Aber er hatte recht gehabt: Da
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