Engelsflammen: Band 3 (German Edition)
drehte sich um.
Und stand plötzlich Nase an Nase vor Daniel.
Ein leichter Wind wehte ihm das blonde Haar über die Stirn. In seinem förmlichen schwarzen Anzug mit der goldenen Uhrkette und einer kleinen weißen Pfingstrose am Revers war Daniel noch atemberaubender, als sie ihn in Erinnerung gehabt hatte. Seine Haut leuchtete im Schein der untergehenden Sonne. Um seine Lippen spielte ein winziges Lächeln. Seine Augen glühten bei ihrem Anblick violett auf.
Ein leiser Seufzer entfuhr ihr. Sie sehnte sich danach, sich ein Stückchen weiter vorzubeugen, um ihre Lippen auf seine zu drücken. Um die Arme um ihn zu schlingen und die Stelle an seinen breiten Schultern zu spüren, wo seine Flügel sich entfalteten. Sie wollte vergessen, weshalb sie hierher gekommen war, und ihn einfach in den Armen halten, sich einfach von ihm halten lassen. Es gab keine Worte dafür, wie sehr sie ihn vermisst hatte.
Nein. Bei diesem Besuch ging es um Lucinda.
Daniel, ihr Daniel, war im Moment weit fort. Es war schwer, sich vorzustellen, was er jetzt gerade tat oder dachte. Es war sogar noch schwerer, sich ihr Wiedersehen vorzustellen, wenn all das vorbei war. Aber war das nicht der Punkt, worum es bei ihrer Suche ging? Genug über ihre Vergangenheit herauszufinden, damit sie in der Gegenwart wirklich mit Daniel zusammen sein konnte?
»Du solltest nicht hier sein«, sagte sie zu dem Helstoner Daniel. Er konnte nicht gewusst haben, dass die Helstoner Lucinda ihn hier treffen wollte. Aber da war er. Es war, als könne nichts ihr Zusammentreffen verhindern – was auch immer geschah, sie wurden zueinander hingezogen.
Daniels Lachen war genau das gleiche Lachen, an das Luce gewöhnt war, das Lachen, das sie in der Sword & Cross zum ersten Mal gehört hatte, als Daniel sie küsste, das Lachen, das sie liebte. Aber dieser Daniel kannte sie eigentlich nicht. Er wusste nicht, wer sie war, woher sie kam oder was sie zu tun versuchte.
»Du solltest auch nicht hier sein.« Er lächelte. »Zuerst hätten wir drinnen tanzen sollen, und später, nachdem wir einander kennengelernt haben, sollte ich dich zu einem Mondscheinspaziergang nach draußen begleiten. Aber die Sonne ist noch nicht untergegangen. Was bedeutet, dass noch viele Tänze ausstehen.« Er streckte die Hand aus. »Mein Name ist Daniel Grigori.«
Er hatte nicht einmal bemerkt, dass sie kein Ballkleid trug, sondern eine Dienstbotenuniform, dass sie sich überhaupt nicht wie ein ordentliches britisches Mädchen benahm. Er hatte sie gerade zum ersten Mal gesehen, aber wie Lucinda war Daniel blind vor Liebe.
Die Möglichkeit, dies alles aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten, verlieh ihrer Beziehung eine seltsame Klarheit. Diese Beziehung war wunderbar, aber sie war auf tragische Weise kurzsichtig. War es überhaupt Lucinda, die Daniel liebte, und umgekehrt, oder war es einfach ein Zyklus, aus dem sie sich nicht befreien konnten?
»Ich bin es nicht«, erklärte Luce ihm traurig.
Er ergriff ihre Hände. Sie schmolz ein wenig dahin.
»Natürlich bist du es«, widersprach er. »Immer bist du es.«
»Nein«, sagte Luce. »Es ist ihr gegenüber nicht fair, du bist nicht fair. Und außerdem, Daniel, sie ist gemein.«
»Von wem redest du?« Er sah aus, als wisse er nicht, ob er sie ernst nehmen oder lachen solle.
Aus dem Augenwinkel sah Luce eine Gestalt in Weiß vom hinteren Teil des Hauses auf sich zukommen.
Lucinda.
Die zu dem Treffen mit Daniel kam. Sie war früh dran. In ihrem Brief stand neun Uhr – zumindest hatte neun Uhr drin gestanden, bevor Luce die Papierschnipsel ins Feuer geworfen hatte.
Luce’ Herz schlug schneller. Sie durfte hier nicht erwischt werden, wenn Lucinda auftauchte. Und doch konnte sie Daniel nicht so bald schon wieder verlassen.
»Warum liebst du sie?« Luce’ Worte überschlugen sich förmlich. »Was bringt dich dazu, dich in sie zu verlieben, Daniel?«
Daniel legte ihr eine Hand auf die Schulter – es fühlte sich wunderbar an. »Immer langsam«, sagte er. »Wir haben uns gerade erst kennengelernt, aber ich kann dir versprechen, dass ich niemanden liebe, außer …«
»Du da! Dienstmädchen!« Lucinda hatte sie entdeckt, und nach dem Tonfall ihrer Stimme zu schließen, war sie nicht glücklich darüber. Sie begann auf die Gartenlaube zuzulaufen und verfluchte dabei ihr Kleid, das schmutzige Gras und Luce. »Was hast du mit meinem Brief gemacht, Mädchen?«
»D-Dieses Mädchen, das auf uns zukommt«, stammelte Luce, »das bin ich, in gewisser
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