Engelsflammen: Band 3 (German Edition)
Margaret, musste die jüngere Schwester sein. Sie war ungefähr in Lucindas Alter. Sie zog sie auf wie eine gute Freundin.
Und sie hatte recht – Lucinda strahlte wirklich. Es musste an Daniel liegen.
Lucinda warf sich auf das elfenbeinfarbene Sofa und seufzte auf eine Weise, wie Luce es niemals tun würde, ein melodramatischer Seufzer, der um Aufmerksamkeit bettelte. Luce wusste sofort, dass Bill recht hatte: Sie und ihr früheres Ich ähnelten einander überhaupt nicht.
»Thomas?« Lucinda rümpfte ihre kleine Nase. »Thomas’ Vater ist ein ganz gewöhnlicher Holzfäller …«
»Stimmt nicht!«, rief die jüngere Tochter aus. »Er ist ein sehr ungewöhnlicher Holzfäller! Er ist reich.«
»Trotzdem, Amelia«, erwiderte Lucinda und breitete ihren Rock um die schmalen Fesseln aus. »Er gehört praktisch zur Arbeiterklasse.«
Margaret hockte sich auf die Kante des Sofas. »Letzte Woche hast du noch nicht so gering von ihm gedacht, als er dir diese Haube aus London mitgebracht hat.«
»Nun, die Dinge ändern sich. Und ich schätze ein hübsches Häubchen sehr.« Lucinda runzelte die Stirn. »Aber Häubchen oder nicht, ich werde meinem Vater sagen, dass er ihm nicht erlauben soll, mich noch einmal zu besuchen.«
Sobald sie zu Ende gesprochen hatte, glättete sich ihre Stirn. Ein träumerisches Lächeln umspielte ihren Mund und sie begann vor sich hin zu summen. Die anderen Mädchen beobachteten sie ungläubig, während sie leise sang, über die Spitze ihres Schals strich und aus dem Fenster schaute, gleich neben Luce’ Versteck.
»Was ist denn nur in sie gefahren?«, flüsterte Amelia deutlich hörbar ihrer Schwester zu.
Margaret schnaubte. »Die Frage ist wohl eher, wer.«
Lucinda stand auf und trat ans Fenster, sodass Luce sich hinter den Vorhang zurückziehen musste. Ihr brach der Schweiß aus, so nah war das sanfte Summen von Lucinda Biscoes Stimme zu hören. Dann Schritte, als Lucinda sich vom Fenster abwandte und ihr seltsames Lied abrupt abbrach.
Luce riskierte einen weiteren Blick hinter dem Vorhang hervor. Lucinda war zu der Staffelei gegangen und stand nun wie gebannt davor.
»Was ist das?« Lucinda hielt die Leinwand hoch, um sie ihren Freunden zu zeigen. Luce konnte das Bild nicht sehr deutlich sehen, aber es sah nach nichts Besonderem aus. Es war nur irgendeine Blume.
»Das ist Mr Grigoris Arbeit«, erklärte Margaret. »Seine Skizzen waren so vielversprechend, als er hier angekommen ist, aber ich fürchte, irgendetwas ist über ihn gekommen. Er hat jetzt drei volle Tage nichts anderes als Pfingstrosen gemalt.« Sie zuckte gekünstelt die Achseln. »Wirklich seltsam. Künstler sind so sonderbar.«
»Oh, aber er sieht gut aus , Lucinda.« Amelia griff nach Lucindas Hand. »Wir müssen dich heute Abend Mr Grigori vorstellen. Er hat so schönes blondes Haar, und seine Augen … Ach, seine Augen sind zum Dahinschmelzen!«
»Wenn Lucinda für Thomas Kennington und sein ganzes Geld zu schade ist, bezweifle ich stark, dass ihm ein einfacher Maler das Wasser reichen kann.« Margaret sprach in einem so scharfen Ton, dass Luce klar wurde, dass sie selbst etwas für Daniel empfinden musste.
»Ich würde ihn schrecklich gern kennenlernen«, bemerkte Lucinda, und nahm ihr leises Summen wieder auf.
Luce hielt den Atem an. Also war Lucinda ihm noch nicht einmal begegnet? Wie war das möglich, wenn sie so offensichtlich verliebt war?
»Dann lasst uns gehen«, sagte Amelia und zog an Lucindas Hand. »Wir verpassen das halbe Fest, wenn wir hier oben schwatzen.«
Luce musste etwas tun. Aber nach dem, was Bill und Roland gesagt hatten, war es unmöglich, ihr früheres Leben zu retten. Zu gefährlich, es auch nur zu versuchen. Selbst wenn sie es irgendwie schaffte, könnte der Zyklus der nachfolgenden Lucindas verändert werden. Luce selbst könnte verändert werden. Oder schlimmer noch:
Ausgelöscht.
Aber vielleicht gab es eine Möglichkeit für Luce, Lucinda zumindest zu warnen. Damit sie nicht schon von Liebe geblendet in diese Beziehung hineinspazierte. Damit sie nicht ohne den geringsten Funken Verständnis aufgrund einer uralten Bestrafung als Bauernopfer starb. Die Mädchen waren fast zur Tür hinaus, als Luce sich ein Herz fasste und hinter dem Vorhang hervorkam.
»Lucinda!«
Ihr früheres Ich fuhr herum, ihre Augen wurden schmal, als sie Luce’ Dienstbotenkleid erblickte. »Hast du uns nachspioniert?«
Kein Funke des Erkennens zeigte sich in ihren Augen. Es war merkwürdig, dass Roland Luce
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