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Engelsflammen: Band 3 (German Edition)

Engelsflammen: Band 3 (German Edition)

Titel: Engelsflammen: Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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nun …«
    »Bill?« Er saß vornübergebeugt auf ihrer Schulter, und sie verdrehte den Hals, um ihn anzuschauen. »Ist schon gut«, fügte sie leise hinzu. »Du brauchst nichts zu erklären. Lass es mich einfach, na ja, spüren.«
    »Das ist wahrscheinlich das Beste.«
    Während Luce geräuschlos durch die Friedhofstore ging, blieb Bill zurück. Er saß im Schneidersitz auf einem mit Flechten überzogenen Grabmal und knibbelte an dem Dreck unter seinen Krallen. Luce zog den Schal über den Kopf, um ihr Gesicht zu verbergen.
    Vor ihr drängten sich Trauergäste wärmesuchend so dich t aneinander, dass sie zu einer schwarzen Menge verschmolzen. Bis auf eine Person, die abseits der Gruppe stand. Sie hielt den unbedeckten blonden Kopf gesenkt.
    Niemand sprach mit Daniel oder sah ihn auch nur an. Luce konnte nicht erkennen, ob es ihm zu schaffen machte, dass sie ihn nicht beachteten, oder ob es ihm so lieber war.
    Als sie den hinteren Teil der kleinen Menschenmenge erreichte, ging die Beerdigung ihrem Ende zu. Ein Name war in einen flachen grauen Grabstein gehauen: Lucinda Müller. Ein blasser Junge, nicht älter als zwölf, mit dunklem Haar und tränenüberströmtem Gesicht, half seinem Vater – ihr Vater aus diesem anderen Leben? –, die erste Lage Erde in das Grab zu schaufeln.
    Diese Männer mussten mit ihrem früheren Ich verwandt gewesen sein. Sie mussten sie geliebt haben. Hinter ihnen standen weinende Frauen und Kinder, Lucinda Müller musste auch ihnen etwas bedeutet haben. Vielleicht hatte sie ihnen alles bedeutet.
    Aber Luce Price kannte diese Leute nicht. Sie kam sich gefühllos und seltsam vor, als sie begriff, dass sie ihr nichts bedeuteten, obwohl sie den Schmerz auf ihren Gesichtern sah. Daniel war der Einzige hier, der für sie wirklich zählte, de r Einzige, zu dem sie hinlaufen wollte, derjenige, von de m sie sich fernhalten musste.
    Er weinte nicht. Er sah nicht einmal auf das Grab wie alle anderen. Seine Hände waren vor dem Leib gefaltet, und er blickte ins Leere – nicht in den Himmel hinauf, sondern in weite Ferne. Seine Augen waren in einem Moment violett und im nächsten grau.
    Als die Familienmitglieder einige Schaufeln voll Erde auf den Sarg geworfen und Blumen auf der Grabstätte verstreut hatten, gingen die Trauergäste auseinander und kehrten auf die Hauptstraße zurück. Es war vorbei.
    Nur Daniel blieb zurück. So reglos wie ein Toter.
    Luce blieb ebenfalls. Sie duckte sich hinter ein Mausoleum einige Grabstellen weiter entfernt und wartete ab, was er tun würde.
    Der Abend dämmerte. Sie hatten den Friedhof für sich allein. Daniel ließ sich neben Lucindas Grab auf die Knie nieder. Schnee rieselte auf den Friedhof und bedeckte Luce’ Schultern, dicke Flocken fingen sich in ihren Wimpern und befeuchteten ihre Nasenspitze. Sie schob sich um die Ecke des Mausoleums herum und ihr ganzer Körper war angespannt.
    Würde er ausrasten? Würde er mit bloßen Händen in der Erde wühlen und auf den Grabstein hämmern und heulen, bis es keine Tränen mehr zum Vergießen gab? Er konnte nicht so ruhig sein, wie er aussah. Es war unmöglich, eine Fassade. Aber Daniel betrachtete das Grab kaum. Er legte sich neben das Grab und schloss die Augen.
    Luce starrte ihn an. Er war so hinreißend. Mit geschlossenen Lidern wirkte er, als habe er vollkommenen Frieden gefunden. Sie war halb verliebt, halb verwirrt und verharrte mehrere Minuten – bis sie so durchgefroren war, dass sie sich die Arme reiben und mit den Füßen aufstampfen musste, um warm zu werden.
    »Was macht er da?«, flüsterte sie schließlich.
    Bill erschien hinter ihr und flatterte um ihre Schultern. »Sieht so aus, als würde er schlafen.«
    »Aber warum? Ich wusste überhaupt nicht, dass Engel Schlaf brauchen …«
    »Brauchen ist nicht das richtige Wort. Sie können schlafen, wenn ihnen danach zumute ist. Nach deinem Tod schläft Daniel immer tagelang.« Bill warf den Kopf zurück, als sei ihm etwas Unerfreuliches eingefallen. »Na gut, nicht immer. Aber meistens. Muss ziemlich ermüdend sein, das Einzige zu verlieren, was man liebt. Machst du ihm deswegen einen Vorwurf?«
    »I-irgendwie schon«, stammelte Luce. »Ich bin schließlich diejenige, die in Flammen aufgeht.«
    »Und er ist derjenige, der alleingelassen wird. Die uralte Frage: Was ist schlimmer?«
    »Aber er sieht noch nicht einmal traurig aus. Er wirkte während der ganzen Beerdigung gelangweilt. Wenn ich das wäre, dann würde ich … dann würde ich …«
    »Du

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