Engelsflammen: Band 3 (German Edition)

Sache allein regeln könntest , was ich aufgrund deiner Vorgeschichte nicht tue« – er wedelte mit dem Zeigefinger –, »bist du nicht allein in dieser Sache. Alle suchen nach ihr.«
    »Was meinst du damit, alle?«
    »Als du in der Nacht, in der wir gegen die Outcasts gekämpft haben, hinter Luce her bist, glaubst du, wir anderen hätten da nur rumgesessen und Canasta gespielt? Gabbe, Roland, Molly, Arriane, selbst diese zwei verblödeten Nephilim-Kids – sie sind alle irgendwo da draußen und versuchen, sie zu finden.«
    »Du hast ihnen erlaubt, das zu tun?«
    »Ich bin niemandes Hüter, Bruder.«
    »Nenn mich nicht so«, fuhr Daniel ihn an. »Ich glaub das einfach nicht. Wie konnten sie nur? Dies ist meine Verantwortung …«
    »Freier Wille.« Cam zuckte die Achseln. »Das ist im Moment total angesagt.«
    Daniels Flügel brannten nutzlos an seinem Rücken. Was konnte er gegen ein halbes Dutzend Anachronismen tun, die durch die Vergangenheit stolperten? Die anderen gefallenen Engel würden wissen, wie zerbrechlich die Vergangenheit war, sie würden aufpassen. Aber Shelby und Miles? Sie waren Kinder. Sie würden leichtsinnig sein. Sie würden es nicht besser wissen. Sie könnten für Luce alles zerstören. Sie könnten Luce selbst zerstören.
    Nein. Daniel würde ihnen nicht die Chance geben, sie vor ihm zu erreichen.
    Und doch – Cam hatte es geschafft.
    »Wie kann ich sicher sein, dass du dich nicht eingemischt hast?«, fragte Daniel und versuchte, sich seine Verzweiflung nicht anmerken zu lassen.
    Cam verdrehte die Augen. »Weil du weißt, dass ich weiß, wie gefährlich eine Einmischung ist. Unsere Endziele mögen nicht die gleichen sein, aber wir wollen beide, dass sie dies überlebt.«
    »Hör mir zu, Cam. Hier steht alles auf dem Spiel.«
    »Erniedrige mich nicht. Ich weiß, was auf dem Spiel steht. Du bist nicht der Einzige, der schon viel zu lange gekämpft hat.«
    »Ich – ich habe Angst«, gestand Daniel. »Wenn sie die Vergangenheit zu sehr verändert …«
    »Dann könnte das sie selbst verändern, wenn sie in die Gegenwart zurückkehrt? Ja, ich habe auch Angst.«
    Daniel schloss die Augen. »Es würde bedeuten, dass für sie jede Chance, sich von diesem Fluch zu befreien …«
    »Vertan wäre.«
    Daniel musterte Cam. Sie beide hatten seit Ewigkeiten nicht mehr so miteinander gesprochen – wie Brüder. »Sie war wirklich allein? Du bist dir sicher, dass auch keiner der anderen zu ihr gelangt ist?«
    Einen Moment lang sah Cam an Daniel vorbei, zu einem Punkt auf dem Berggipfel hinter ihnen. Der Berg sah so verla ssen aus, wie Daniel sich fühlte. Bei Cams Zögern kribbel te es ihm im Nacken.
    »Keiner der anderen hat sie erreicht«, erklärte Cam schließlich.
    »Bist du sicher?«
    »Ich bin derjenige, der sie hier gesehen hat. Du bist derjenige, der nie rechtzeitig da ist. Und außerdem ist es ganz allein deine Schuld, dass sie hier draußen ist.«
    »Das ist nicht wahr. Ich habe ihr nicht gezeigt, wie man die Verkünder benutzt.«
    Cam stieß ein bitteres Lachen aus. »Ich meine nicht die Verkünder, du Holzkopf. Ich meine, dass sie denkt, es gehe hier nur um euch beide. Einen dummen Streit unter Liebenden.«
    »Es geht um uns beide.« Daniels Stimme klang angespannt. Er hätte gerne den großen Stein hinter Cams Kopf aufgehoben und ihm auf den Schädel fallen lassen.
    »Lügner.« Cam sprang auf und heißer Zorn blitzte in seinen grünen Augen auf. »Es ist viel bedeutender, und das weißt du genau.« Er nahm die Schultern zurück und entfaltete seine riesigen marmorierten Flügel. Sie erfüllten die Luft mit goldener Pracht und verbargen für einen Moment die Sonne. Als sie sich Daniel entgegenwölbten, trat er angewidert zurück. »Du solltest sie besser finden, bevor sie – oder jemand anders – auftaucht und unsere ganze Geschichte umschreibt. Denn dann haben du, ich, das alles hier« – Cam schnippte mit den Fingern – »ausgedient.«
    Daniel knurrte, breitete seine eigenen silbrig weißen Flügel aus und spürte, wie sie sich immer weiter und weiter seitlich ausstreckten und erbebten, als sie neben denen von Cam pulsierten. Ihm war jetzt wärmer und er fühlte sich zu allem fähig. »Ich werde das regeln …«, begann er.
    Aber Cam hatte bereits abgehoben und der Rückstoß seines Abflugs wirbelte den Staub am Boden auf. Daniel beschirmte die Augen gegen die Sonne und sah empor, beobachtete, wie die goldenen Flügel durch die Luft schlugen und dann mit einem Mal verschwunden