Engelsflammen: Band 3 (German Edition)

hatte, zu erliegen.
    In dem Kreis um das Feuer richtete Daniels früheres Ich seinen Blick auf Cam. »Du bist heute Nacht ungewöhnlich still.«
    Cam antwortete nicht sofort. »Was soll ich deiner Meinung nach sagen?«
    »Du hattest dieses Problem schon mal. Du weißt …«
    »Und was soll ich deiner Meinung nach sagen?«
    Daniel holte tief Luft. »Etwas, das charmant und überzeugend ist.«
    Annabelle schnaubte. »Oder etwas, das verschlagen und durch und durch böse ist.«
    Alle warteten. Daniel wollte hinter dem Fels hervorspringen, wollte sein früheres Ich von hier wegreißen. Aber er konnte nicht. Sein Verkünder hatte ihn aus einem ganz bestimmten Grund hergebracht. Er musste das Ganze noch einmal durchleben.
    »Du sitzt in der Falle«, meinte Cam schließlich. »Du denkst, nur weil es einen Anfang gab und weil du jetzt irgendwo in der Mitte bist, würde es auch ein Ende geben. Aber unsere Welt beruht nicht auf Teleologie. Es hat nicht alles einen Zweck. Es ist nicht alles vorherbestimmt. In unserer Welt herrscht Chaos.«
    »Unsere Welt ist nicht dieselbe wie deine …«, hob Gabbe an.
    »Es gibt keinen Ausweg aus diesem Kreislauf, Daniel«, fuhr Cam fort. »Sie kann ihn nicht durchbrechen, und du auch nicht. Mir ist es egal, ob du den Himmel oder die Hölle wählst, und dir auch. Es ändert nichts …«
    »Genug.« Gabbes Stimme brach. »Es wird sehr wohl etwas ändern. Wenn Daniel dorthin zurückkehrt, wo er hingehört, dann wird Lucinda … dann wird Lucinda …«
    Aber sie konnte nicht weiterreden. Gabbe wollte die Blasphemie nicht aussprechen. Sie fiel im Schnee auf die Knie.
    Daniel beobachtete, wie sein früheres Ich Gabbe die Hand reichte und ihr vom Boden aufhalf. Alles spielte sich nun so vor seinen Augen ab, wie er es in Erinnerung hatte:
    Er blickte in ihre Seele und sah, wie hell sie brannte. Er schaute zurück und sah die anderen – Cam und Roland, Arriane und Annabelle, sogar Molly – und ihm wurde bewusst, wie lange er sie alle schon durch seine epische Tragödie geschleift hatte.
    Und wozu?
    Lucinda. Und die Entscheidung, die sie beide vor langer Zeit und dann immer wieder von Neuem getroffen hatten: Ihre Liebe über alles andere zu stellen.
    In dieser Nacht auf dem ewigen Eis befand sich ihre vom letzten Körper befreite Seele zwischen zwei Inkarnationen. Und wenn er die Suche nach ihr aufgab? Daniel war müde bis ins Mark. Er wusste nicht, ob er noch genug Kraft hatte, weiterzukämpfen.
    Während er seinen früheren Kampf beobachtete und spürte, dass er kurz vor einem völligen Zusammenbruch stand, erinnerte Daniel sich daran, was er tun musste. Es war gefährlich. Verboten. Aber es war unbedingt notwendig. Jetzt verstand er zumindest, warum sein künftiges Ich ihn in diese lang vergangene Nacht geführt hatte – um ihm Kraft zu verleihen, um ihn rein zu halten. In diesem entscheidenden Augenblick in seiner Vergangenheit war er schwach geworden. Und der Daniel der Zukunft konnte nicht zulassen, dass diese Schwäche im Laufe der Geschichte wuchs, konnte nicht zulassen, dass sie seine und Lucindas Chancen verdarb.
    Also rief er sich in Erinnerung, was ihm vor neunhundert Jahren geschehen war. Er würde es heute Nacht wiedergutmachen, indem er sich mit seiner Vergangenheit verbündete – nein, indem er sie überwand.
    3D.
    Es war der einzige Weg.
    Er nahm die Schultern zurück und öffnete seine zitternden Flügel. Er konnte spüren, wie ihm der Wind von hinten hineinfuhr. Über ihm färbte ein extrem starkes Polarlicht d en Himmel grün, rot und blau. Es war hell genug, um eine n Sterblichen zu blenden, hell genug, um die Aufmerksamkeit von sieben zankenden Engeln zu erregen.
    Auf der anderen Seite des Felsblocks gerieten die Engel in Bewegung. Daniel hörte Rufe, Ahs und Ohs und Flügelschlagen.
    Er stieß sich vom Boden ab und schoss in die Höhe, sodass er bereits über dem Felsen schwebte, als Cam hinter ihm auftauchte. Sie hatten sich um eine Flügelspanne verfehlt, aber Daniel blieb in Bewegung und stieß so schnell auf sein früheres Ich hinab, wie es ihm seine Liebe zu Luce ermöglichte.
    Sein früheres Ich wich zurück und streckte abwehrend die Hände aus.
    Alle Engel kannten die Risiken des Verschmelzens mit ihrem früheren Ich. War man erst einmal mit seinem früheren Ich verbunden, war es fast unmöglich, sich wieder von ihm zu befreien. Aber Daniel wusste, dass er es in der Vergangenheit bereits einmal getan hatte. Also musste er es wieder tun.
    Er tat es, um Luce zu