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Engelsfluch

Engelsfluch

Titel: Engelsfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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zeigte auf Schardt. »Ich würde gern seinen nackten Oberkörper sehen.«

    Donati warf ihm einen schiefen Blick zu. »Wie bitte?«
    »Ich würde gern Schardts nackten Oberkörper sehen«, wiederholte Alexander.
    Zum ersten Mal in dem Verhör zeigte der Gefangene Emotionen. Mit einem wütenden Blick auf Alexander fragte er:
    »Ist das zulässig? Darf Rosin überhaupt hier sein? Seit wann ist der Presse erlaubt, Polizeiverhören beizuwohnen?«
    Donati spielte den Verwunderten. »Erst ein paar Priester abschlachten und sich dann auf Recht und Gesetz berufen, das haben wir gerne!« Er gab dem uniformierten Polizisten an der Tür einen Wink, näher zu treten. »Kollege, erfüllen Sie meinem Freund doch bitte seinen Herzenswunsch!«
    Ohne große Umstände zerrte der Beamte Schardts Pullover und T-Shirt in die Höhe. Der Rücken war mit zahlreichen blutigen Striemen überzogen, viele älter und vernarbt, andere noch sichtbar frisch.
    Leise sagte Alexander: »Totus tuus, Domine. Hie iacet pulvis, cinis et nihil. Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa.
    – Vollkommen der Deine, Herr. Hier liegen Staub, Asche und nichts. Durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine übergroße Schuld.«
    So lautete die Bußformel der Mitglieder des Geheimordens Totus Tuus , wenn sie sich geißelten. Im Mai hatte Alexander solche Narben öfter gesehen, nicht zuletzt bei Elena, die in einem von Totus Tuus geleiteten Waisenhaus aufgewachsen war. Die Vermutung, die er seinem Vater gegenüber geäußert hatte, sah er jetzt bewahrheitet. Der Orden war nicht vollständig zerschlagen, sondern noch aktiv. Mehr noch, Totus Tuns war unzweifelhaft in die Priestermorde verwickelt.
    »Verdammt!«, zischte Donati. »Warum bin ich nicht darauf gekommen?«

    »Gönn mir doch meinen kleinen Geistesblitz, Stelvio! Ich bin sicher, dass wir auch bei den beiden anderen Gefangenen Spuren von Geißelungen finden werden. Der körperliche Schmerz ist ein unverzichtbarer Teil der Gehirnwäsche, mit dem Totus Tuus seine Mitglieder zu willenlosen Gefolgsleuten macht. Ich sehe schwarz für die Schweizergarde. Totus Tuus scheint fest entschlossen, sie auch weiterhin als ausführendes Organ zu missbrauchen.«
    »Wo sonst findet man auf einem Haufen so viele überzeugte Katholiken, die in Nahkampf und Waffengebrauch trainiert sind«, sagte Donati. »Die perfekten Söldner für den Orden.«
    Alexander nickte, war aber mit seinen Gedanken schon woanders. »Hat man bei den ermordeten Priestern Hinweise auf Geißelungen gefunden?«
    »Nein«, lautete Donatis Antwort.
    »Ist das sicher?«
    »Absolut. In zwei Fällen war ich bei der Leichenschau dabei, und im Fall von Giorgio Carlini habe ich den Autopsiebericht Zeile für Zeile gelesen. Solche Narben wären darin mit Sicherheit vermerkt worden.«
    Werner Schardt, noch immer mit hochgezogenem Pullover und T-Shirt, sagte: »Mir ist kalt.«
    Alexander blickte ihn angewidert an. »Mir auch.«

15
    Pescia, Dienstag, 29. September
    Über Nacht hatte sich das Unwetter gelegt. Als Enrico am Morgen aufstand und ans Fenster trat, war der Himmel noch grau und trüb, aber es regnete nicht mehr. Der Waldboden würde vermutlich noch schlammig sein. Andererseits wusste man nicht, wie lange der Regen aussetzte. Kurz entschlossen rief er Vanessa Falk in ihrem Hotel an und verabredete mit ihr einen Ausflug in die Berge. In einer Stunde wollte sie bei ihm sein. Er frühstückte ausgiebig und ging hinaus auf den Parkplatz. Die Luft roch noch nach Regen, feucht und schwer, und über den Bergen hingen die Wolken besonders fest zusammen. Eine Wolkenformation sah aus wie eine gigantische, zur Abwehr ausgestreckte Hand. Enrico holte tief Luft und schüttelte den Kopf. Er wollte sich nicht verrückt machen. Angesichts all des Mysteriösen, das ihm hier begegnet war, musste er nicht noch etwas hinzuerfinden. Mit einem kurzen Hupen kündigte Vanessa ihr Kommen an, als ihr gelber Mietwagen über die schmale Brücke rollte. Enrico ging ihr entgegen, öffnete die Tür auf der Beifahrerseite und zwängte sich, während er seine Jacke auf die Rückbank warf, auf den Sitz. Er fand Kleinwagen nicht gerade bequem, aber angesichts der engen Straßen in den Bergen waren sie sehr praktisch.
    Vanessa hatte sich auf den Ausflug gut vorbereitet. Sie trug kniehohe Stiefel, robuste Jeans, eine Bluse aus demselben Material und darüber eine Weste mit zahlreichen Taschen. Ihre rote Mähne hatte sie hinten zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie wirkte jetzt gar

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