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Engelsfluch

Engelsfluch

Titel: Engelsfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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weiß nicht, wie man das aus wissenschaftlicher Sicht einschätzen soll. Ist überhaupt bewiesen, dass Jesus wirklich gelebt hat?«
    »Es gibt Historiker und Theologen, die es für bewiesen halten, andere behaupten das Gegenteil.«
    »Das nenn ich eine wissenschaftlich präzise Auskunft. Was glaubt denn eine gewisse Dr. Falk?«
    »Ich gehe mit einer mehr als neunzigprozentigen Wahrscheinlichkeit davon aus, dass es einen historischen Jesus gab. Und wenn es ihn gab, kann er auch Kinder gezeugt haben.«
    »Falls er nicht vorher am Kreuz gestorben ist«, gab Enrico zu bedenken.

    »Gestorben und wiederauferstanden, so haben es die Gläubigen seit zwei Jahrtausenden gelernt. Aber was Custos der Welt über einen nur scheintoten Jesus berichtet hat, der nach seiner so genannten Wiederauferstehung übers Meer geflohen ist, erscheint mir als denkendem Menschen wahrscheinlicher als die Wiederauferstehung aus dem Neuen Testament.«
    »Also halten Sie es für möglich, dass Custos von Jesus abstammt.«
    »Möglich ist es, ja, aber nicht bewiesen. Es kann sein, dass viele Nachfahren von Kleopatra, Attila oder Hannibal unter uns weilen, nur wissen wir es nicht – und sie selbst vermutlich auch nicht.«
    »Das klingt jetzt aber despektierlich«, monierte Enrico.
    »Keineswegs. Ich leugne nicht, dass Custos über ungewöhnliche Kräfte verfügt. Aber ich kann nicht sagen, ob er sie von einem Vorfahren namens Jesus ererbt oder sonst wie erlangt hat.«
    »Wobei noch die Frage zu klären wäre, woher der historische Jesus seine besonderen Fähigkeiten erlangt hat.«
    »Na, er war Gottes Sohn«, sagte Vanessa im Tonfall größter Selbstverständlichkeit.
    »Wie, Sie glauben an die unbefleckte Empfängnis?«
    »Keine Ahnung, ich hab’s noch nicht ausprobiert. Aber wenn es einen Gott gibt, verfügt er sicher auch über genügend Möglichkeiten, einen Menschen mit besonderen Gaben auszustatten. Ob man das als unbefleckte Empfängnis bezeichnen will, ist eine Geschmacksfrage.« Nachdem sie in einer Kurve mit einer schnellen Lenkbewegung einem entgegenkommenden Lieferwagen ausgewichen war, fügte sie hinzu: »Jedenfalls bin ich gespannt, ob sich Custos und Lucius doch noch gegenübertreten. Es wäre das Treffen zweier höchst ungewöhnlicher Männer.«
    »Wieso?«
    »Ach ja, Sie sind von allen aktuellen Ereignissen unbeleckt.
    Unser Gegenpapst scheint über die Gabe der göttlichen Eingebung zu verfügen. Jedenfalls behauptet er so etwas. Heute Morgen hat er in einer Fernsehansprache Custos ermahnt, Neapel schnellstmöglich zu verlassen. Gott sei erzürnt, dass Custos sich in die Belange der Heiligen Kirche des Wahren Glaubens einmischen wolle. In der Nacht sei Lucius ein Engel des Herrn erschienen und habe eine große Katastrophe für den Fall angekündigt, dass Custos in Neapel bleibe. Das Unwetter von gestern sei nur ein Vorgeschmack auf das kommende Unglück gewesen. Interessanterweise hat das Unwetter tatsächlich zu der Zeit begonnen, als der Hubschrauber des Papstes auf dem Flughafen von Neapel gelandet ist. Eine wilde Geschichte, wie?«
    »Wie hat Custos darauf reagiert?«, erkundigte sich Enrico.
    »Bis jetzt noch gar nicht. Jedenfalls habe ich nicht gehört, dass er Neapel verlassen hätte.«
    »Glauben Sie an diese Vision des Gegenpapstes?«
    »Sie stellen mir aber schwierige Fragen! Ich habe, ehrlich gesagt, keine Ahnung. Vielleicht hat er einfach nur schlecht geträumt.«
    »Schlechte Träume können manchmal sehr bedrückend sein«, sagte Enrico und dachte an seinen Alptraum, den ein tiefreligiöser Mensch vielleicht auch als Vision bezeichnet hätte.
    Enrico fand die Lichtung wieder, auf der Commissario Massi vor vier Tagen seinen Wagen abgestellt hatte. Er bat Vanessa zu parken, und zu Fuß tauchten sie in das dichte Unterholz ein.

    »Sind Sie sicher, dass wir auf dem richtigen Weg sind?«, fragte Vanessa nach einigen Minuten, als rings um sie nichts mehr außer Bäumen, Büschen und Dornenranken zu sehen war.
    »Ich hoffe es. Sehen Sie die abgeknickten Zweige da vorn?
    Das ist wahrscheinlich passiert, als ich mit Massi und Pisano hier langgegangen bin.«
    »Oder es ist gestern bei dem Sturm passiert.«
    »Auch möglich«, gab Enrico zu.
    »Sie sind mir ja ein schöner Pfadfinder!«, spottete Vanessa.
    »Ich habe Rechtswissenschaft studiert, nicht Fährtenlesen.«
    »Und? Was machen wir jetzt?«
    »Weitergehen«, schlug Enrico vor und steuerte auf den Pfad mit den abgeknickten Zweigen zu. »Deshalb sind wir hier.«
    Der

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