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Engelsfluch

Engelsfluch

Titel: Engelsfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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nicht wie eine Religionswissenschaftlerin, sondern sah aus wie einem Katalog für Outdoorkleidung entsprungen. Einmal mehr stellte Enrico fest, dass sie eine sehr attraktive Frau war, allerdings auch eine, über deren Motive er sich noch immer nicht ganz im Klaren war. Wurde sie wirklich nur von wissenschaftlicher Neugier angetrieben?
    »Guten Morgen, Indiana Jane«, begrüßte er sie gut gelaunt.
    »Welchen verborgenen Tempel wollen wir heute entdecken?«
    »Vielleicht einen der Etrusker, das wäre schon mal ein guter Anfang«, erwiderte sie, während sie den Fiat wendete und zurück zur Brücke lenkte. »Wir machen es wie in der Fahrschule. Sie sagen mir einfach, wo es langgeht.«
    »Einverstanden«, sagte Enrico mit breitem Grinsen. »So etwas hört ein Mann gern von einer Frau wie Ihnen.«
    Sie bedachte ihn mit einem bösen Blick, aber er konnte nicht einschätzen, ob er ernst gemeint oder nur gespielt war. Das gestrige Unwetter hatte deutliche Spuren hinterlassen. Immer wieder stießen sie auf abgerissene Zweige und Äste, und die Fahrbahn war an vielen Stellen von einer Schlammschicht bedeckt. Vanessa ließ die angemessene Vorsicht walten und fuhr sehr langsam. Zum Glück hatten sie kaum Gegenverkehr.
    »Wenig los hier«, stellte sie dann auch fest.
    »Das wundert mich«, sagte Enrico. »Elena hatte gedacht, dass hier bald ein ganzes Journalistenheer auftaucht, um im Geburtsort des Gegenpapstes eine Invasion zu starten. Aber bislang scheint sie die Einzige aus der schreibenden Zunft zu sein, die sich für Borgo San Pietro interessiert.«
    »Ich finde das nicht so verwunderlich wie Sie. Zurzeit haben die Redaktionen und Fernsehstationen vermutlich alle verfügbaren Journalisten nach Neapel geschickt. Dort finden die aktuellen Ereignisse statt, überschlagen sich geradezu. Borgo San Pietro kann nicht weglaufen. Wenn sich die erste große Aufregung über die Gegenkirche und ihren Papst gelegt hat, wird der Ort schon noch seinen D-Day erleben.«

    »Was gibt es denn Neues in Neapel? Wurde Papst Custos gebührend empfangen, oder hat es Ärger gegeben?«
    Vanessa warf ihm kurz einen verwunderten Blick zu, bevor sie sich wieder auf die Straße konzentrierte. »Haben Sie denn keine Zeitungen gelesen, keine Nachrichten gesehen oder gehört?«
    Er schüttelte den Kopf. »Im Moment bin ich, was Sensationsmeldungen angeht, Selbstversorger.«
    Sie lachte. »Dann können Sie nicht wissen, dass Papst Custos mit wenig Euphorie in Neapel empfangen wurde, als er gestern Nachmittag dort ankam. Die Vertreter der Gegenkirche haben sich rundweg geweigert, mit ihm zu sprechen. Für sie ist er der falsche Papst, ein Ketzer, nach der Ansicht mancher sogar der Antichrist. Starker Tobak, den die Medien natürlich begierig breittreten.«
    »Und Custos? Wie reagiert er darauf?«
    »Er hat in einem Kloster Unterkunft genommen, das der Amtskirche treu geblieben ist. Man hört relativ wenig von ihm und vermutet, dass er die Gegenkirche nicht durch harte Aussagen provozieren will, sondern lieber versucht, hinter den Kulissen alle diplomatischen Kanäle zu aktivieren.«
    »So wie ich ihn kenne, würde das zu ihm passen.«
    »Richtig, Sie haben ihn am Sonntag ja persönlich kennen gelernt. Was ist er für ein Mensch?«
    »Ihr Informant im Vatikan ist wirklich gut im Bilde, Vanessa.
    Was den Papst betrifft, so will ich mich nicht erdreisten, nach unserer kurzen Begegnung ein Charakterbild von ihm zu zeichnen. Aber auf mich hat er einen sehr angenehmen Eindruck gemacht. Ein weiser und zurückhaltender Mann, dessen Art es kaum ist, die Medien mit Sensationsmeldungen zu füttern.«

    »Das hat er schon im Mai getan, als die Nachricht von seinen heilenden Kräften um die Welt ging. Seltsam übrigens, dass er über ähnliche Kräfte verfügt wie der Einsiedler, finden Sie nicht?«
    »Ich habe mit dem Papst darüber gesprochen.«
    »Und?«, fragte Vanessa neugierig. »Was sagt Custos dazu?«
    »Er kann auch nur Vermutungen anstellen. Vielleicht ist Angelo auch ein Nachfahre von Jesus, aber per Ferndiagnose lässt sich das nicht mit Sicherheit sagen.«
    »Das wäre in der Tat ein Ding!«
    »Was sagen Sie als aufgeklärte Theologin eigentlich zu dem ganzen Komplex, Vanessa? Glauben Sie Custos, dass er von Jesus abstammt?«
    »Sie sind es doch, der den Papst persönlich kennen gelernt hat, Enrico! Was glauben Sie?«
    »Ich kann Ihnen sagen, was ich nicht glaube, nämlich, dass Custos absichtlich etwas Falsches über seine Abstammung behauptet. Aber ich

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