Engelsfluch
Waffe seines Feindes glitt mit einem metallischen Geräusch auf den gepflasterten Boden. Der Mann, den er zu Boden drückte, hatte dunkles Haar, kurz geschnitten wie das eines Soldaten. Das noch sehr junge, zum Kinn spitz zulaufende Gesicht war Alexander unbekannt.
»Schweizer?«, fragte er knapp.
»Ja«, kam es halblaut zurück.
»Name?« Als er keine Antwort erhielt, sagte er hart: »Deinen Namen, Mann!«
»Peter Grichting.«
»Wo stecken die beiden anderen, Grichting?«
»Hinter dir, Dummkopf!«, hörte er Werner Schardts Stimme deutlicher, als ihm lieb war. »Und jetzt rückst du deine Waffe raus, Kamerad!«
»Und wenn ich diesen Grichting erschieße?«, fragte Alexander, ohne sich umzusehen.
»Dann wird die Polizei hier morgen zwei Tote finden«, sagte Schardt in einem gleichgültigen Tonfall.
Alexander legte seine P 225 vorsichtig auf den Boden. Kaum hatte er sie losgelassen, bäumte sich der unter ihm liegende Mann auf und schüttelte ihn ab. Alexander fiel auf das nasse Pflaster und sah jetzt die beiden Männer hinter ihm. Werner Schardt und ein Unbekannter, der mit seinem jungenhaften Gesicht und dem Stoppelhaar ebenfalls aussah wie einer jener jungen Rekruten, mit denen die Schweizergarde ihre gelichteten Reihen aufgefüllt hatte. Beide zielten mit Pistolen auf ihr Opfer.
»Schusswaffen!«, sagte Alexander verächtlich. »Ist das nicht ein wenig profan für eure Verhältnisse? Bei den ermordeten Priestern wart ihr kreativer.«
»Du bist kein Geistlicher, kannst also kaum dieselbe Behandlung verlangen«, erwiderte Schardt kühl.
»Warum überhaupt dieser Aufwand mit Kreuzigung und Ersäufen? Ihr seid doch keine abgedrehten Psychopathen. Wenn ich mich nicht sehr täusche, handelt ihr im höheren Auftrag, und eure Absicht war es, die Ermordeten zum Schweigen zu bringen.
Die beiden ersten Opfer wussten zu viel aus ihrer Zeit im vatikanischen Geheimarchiv, oder?«
»Du bist ein Schlaukopf, Alexander Rosin. Aber wohin hat dich das geführt?«
»Du hast meine Frage nicht beantwortet.«
»Wir wollten es der Polizei nicht so leicht machen, daher die Idee mit den vermeintlichen Ritualmorden. Die Medien sind ja auch voll drauf abgefahren.«
Peter Grichting hatte sich erhoben und sowohl seine eigene als auch Alexanders Waffe an sich genommen. Jetzt waren vier Pistolenmündungen auf Alexander gerichtet. Er musste sich sehr zusammenreißen, damit die in ihm aufkeimende Todesangst nicht überhand nahm. Er konzentrierte sich auf seinen Dialog mit Werner Schardt, er musste Zeit gewinnen.
»Und euer Auftraggeber?«, fragte Alexander. »Ist der auch zufrieden mit euch?«
»Sonst wären wir wohl kaum hier.«
»Darf ich vielleicht erfahren, wem ich meinen Tod zu verdanken habe?«
»Zerbrich dir darüber nicht den Kopf, Rosin, wirklich nicht!
In ein paar Sekunden ist für dich ohnehin alles vorbei.«
»Dann beantworte mir wenigstens eine letzte Frage, Werner: Wessen Kette wurde bei dem ermordeten Pfarrer Dottesio gefunden? Du trägst deine noch. Und die jungen Schweizer hier waren noch nicht bei der Garde, als Franz Imhoof seine Ostergaben verteilte.«
»Es war meine Kette. Ich musste daraufhin die eines Kameraden stehlen. Das war wohl der einzige Fehler, der mir unterlaufen ist.«
Eine Stimme hinter den drei Schweizern sagte: »Das würde ich nicht so sehen. Chronische Schwatzhaftigkeit gehört auch nicht gerade zu den hervorragenden Eigenschaften eines Mörders.«
Stelvio Donati bog um die Hausecke und richtete eine Waffe auf Schardt. Gleichzeitig traten aus allen Richtungen Polizisten in Zivil und Uniform aus dem Regengrau, bewaffnet mit automatischen Pistolen und Maschinenpistolen.
»Wenn denn auch ich jetzt um die Waffen bitten darf«, sagte Donati. »Und dann die Hände hübsch hoch, wie es sich für Mörder gehört, die in ihre eigene Falle gegangen sind.«
Während die drei Gardisten der Aufforderung nachkamen, stand Alexander auf und blickte Donati vorwurfsvoll an. »Du hast dir aber Zeit gelassen, verdammt viel Zeit, Stelvio!«
Der Commissario grinste. »Ich wollte eure muntere Plauderei nicht unterbrechen. Es klang so interessant.«
Werner Schardt warf Alexander einen hasserfüllten Blick zu.
»Ich hätte dir einfach eine Kugel in den Rücken jagen sollen!«
»Nicht doch«, sagte Donati und hob drohend den Zeigefinger der linken Hand. »Auf die kurze Entfernung kann das zu ernsthaften Verletzungen führen, selbst wenn man eine kugelsichere Weste trägt.«
Schardts Blick wanderte
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