Engelsfluch
hm, diese unliebsame Affäre.«
»Sie meinen die Morde«, brachte Alexander es auf den Punkt.
»Ja, leider«, seufzte Lavagnino und bat Alexander um eine Schilderung dessen, was sich am vergangenen Tag an der Via Appia ereignet hatte.
Alexander gab einen lückenlosen Bericht, der mit dem fruchtlosen Verhör Schardts und der Entdeckung der Narben endete. »Auch Schardts Komplizen schweigen eisern, das hat mir Commissario Donati soeben bestätigt. Und auch sie haben diese Narben, die Spuren von Geißelungen.«
»Könnten die Narben nicht von etwas anderem herrühren?«, fragte Kardinal Ferrio.
»Dann wäre es ein sehr großer Zufall, dass alle drei ähnliche Narben haben«, meinte Alexander. »Abgesehen davon glaube ich zu wissen, wie die Spuren von Geißelungen aussehen. Ich habe keinen Zweifel daran, dass es die Anzeichen ritueller Züchtigungen oder Selbstzüchtigungen sind. Ich hätte der Schweizergarde gern die Schande erspart, aber nach meiner Meinung hat Totus Tuns seine Hände im Spiel. Die Garde ist schon wieder – oder noch immer – von Totus Tuns unterwandert.«
Lavagnino fragte mit bestürztem Gesichtsausdruck: »Haben Sie das auch im ›Messaggero‹ geschrieben?«
Alexander schüttelte den Kopf. »Mein Artikel über die Festnahme der drei ist sehr zurückhaltend ausgefallen. Ich habe kein Interesse daran, die Schweizergarde ins Gerede zu bringen.«
»Ich danke Ihnen dafür, Signor Rosin, auch im Namen Seiner Heiligkeit. Die Kirche brauchte mehr zuverlässige Stützen, wie Sie eine sind.«
»Weniger Verräter in den eigenen Reihen würden es auch schon tun«, seufzte Alexander und fügte schnell hinzu:
»Verzeihen Sie, Eminenz, das ist mir so rausgerutscht.«
Lavagnino winkte ab. »Sie haben ja Recht, leider. In dieser bewegten Zeit hat unsere Kirche mehr Feinde in den eigenen Reihen als von außen. Deshalb haben Kardinal Ferrio und ich Sie persönlich sprechen wollen. Zurzeit ist es selbst hinter den dicken Mauern des Vatikans besser, nur wenige Leute in wichtige Dinge einzuweihen.«
Ferrio rückte seine Brille zurecht und wirkte dabei leicht nervös. »Kommen wir noch einmal auf Totus Tuus zu sprechen und nehmen wir an, dieser Orden ist weiterhin aktiv. Was sind dann seine Ziele?«
»Wie wäre es mit Macht?«, schlug Alexander vor. »Eine Diskreditierung der Kirche stärkt automatisch die Gegenkirche.«
»Sie glauben, Totus Tuus steckt mit den Kirchenspaltern unter einer Decke?«, fragte Ferrio.
»Ich halte es für möglich. Totus Tuus hat schon immer eine sehr konservative Linie vertreten und war mit Papst Custos von Anfang an nicht einverstanden. Da ist die Überlegung einer Komplizenschaft zwischen dem Orden und der Gegenkirche nahe liegend, falls nicht noch mehr dahinter steckt.«
Ferrio beugte sich gespannt zu Alexander vor. »Zum Beispiel?«
»Die so genannte Glaubenskirche hat erstaunlich rasch ihre administrativen Strukturen aufgebaut und scheint auch über ausreichende finanzielle Mittel zu verfügen. Alles macht auf mich den Eindruck, als sei es von langer und erfahrener Hand geplant.«
»Und wir glaubten, Totus Tuus sei zerschlagen und seine Mitglieder seien in alle Winde zerstreut!«, rief Lavagnino aus.
»Ich habe das nicht geglaubt«, sagte Alexander. »Dazu war der Orden einfach zu mächtig. Wir haben ein paar seiner Glieder abgeschlagen und auch sein Haupt, aber das hat nicht genügt.
Wie die schreckliche Hydra in der griechischen Sage hat auch Totus Tuus viele Häupter, und die scheinen sich schneller an den Gegenangriff gewagt zu haben, als uns lieb sein kann.«
»Es wird schwer sein, etwas gegen Totus Tuus zu unternehmen«, meinte Ferrio. »Wir haben zu niemandem aus dem Führungskreis des Ordens Kontakt.«
»Irrtum«, widersprach Alexander. »Wir können meinen Vater fragen. Auch wenn er ein Gefangener ist, könnte er uns im Kampf gegen Totus Tuus entscheidend weiterhelfen.«
Ferrio nickte. »Vielleicht könnte er das wirklich, vorausgesetzt, er will es auch.«
»Ich kann ihn fragen, wenn Sie wollen. Ich möchte ihn wegen der Sache von gestern Abend sowieso gern sprechen.«
»Selbstverständlich«, stimmte Lavagnino zu. »Aber ich kann kaum glauben, dass Markus Rosin wirklich mit uns zusammenarbeiten wird. Er scheint den Heiligen Vater und alle, die ihm dienen, nicht nur abzulehnen, sondern regelrecht zu hassen.«
»Vielleicht kann der Vatikan da selbst irgendetwas tun. Mein Vater ist durch den Verlust seines Augenlichts schon sehr gestraft, dazu noch
Weitere Kostenlose Bücher