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Engelsfluch

Engelsfluch

Titel: Engelsfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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Dingern verstecken.«
    »Dann sitzen wir in der Falle. Unsere Verfolger werden bestimmt diese komischen Hütten durchstöbern.«
    Als Enrico sich umsah, erkannte er, dass es ohnehin zu spät war. Sie hatten das Wettrennen verloren. Überall am Waldrand erschienen ihre Verfolger und mäßigten ihr Tempo, als sie erkannten, dass das Wild in der Falle saß.
    »Sie haben uns!«, stieß Elena hervor, und Panik schwang in ihrer Stimme mit.

    »Zurück!«, sagte Enrico leise und fasste sie am Arm, zog sie langsam mit sich durch das scheinbar endlose Labyrinth der fensterlosen Steinhütten. »Ganz langsam, wir wollen sie nicht reizen.«
    Die Verfolger bildeten einen Halbkreis, dessen Enden näher und näher an Enrico und Elena herankamen. Elena schüttelte den Kopf. »Es hat keinen Sinn, Enrico. Wir können nicht entkommen. Unsere einzige Chance besteht darin, mit ihnen zu reden.«
    Die beiden blieben stehen, weil jeder weitere Schritt eine sinnlose Kraftvergeudung war. Vielleicht hatte Elena Recht, und sie konnten den Zorn, der sich auf den Gesichtern der Dörfler spiegelte, mit Worten besänftigen. Enrico hoffte es, aber er glaubte nicht daran. Aus den Augen der Menschen, die sie allmählich umringten, sprach das Verlangen nach Vergeltung, nach der vendetta del sangue – der Blutrache. Die ersten Steine flogen und trafen eine der merkwürdigen Steinhütten neben ihnen. Sie duckten sich rasch. Mehr Sorgen als die Steinewerfer machten Enrico diejenigen unter den Männern, die Gewehre und Schrotflinten in den Händen hielten. Die Männer aus Borgo San Pietro waren vermutlich keine schlechten Schützen. Die Schusswaffen befanden sich nicht nur zur Zierde in ihren Häusern. Hier ging man mit ihnen noch auf die Jagd in den weitläufigen Wäldern, wo man kaum damit rechnen musste, auf einen staatlichen Forstbeamten zu treffen.
    Der rotgesichtige Mann, der schon einmal auf sie geschossen hatte, trat zwei Schritte vor und brachte sein Gewehr in Anschlag. Verzweifelt überlegte Enrico, was er tun konnte, um Elena und sich zu retten. Aber der Schütze war schon zu nah und die Streuung der Schrotflinte zu groß. Sie konnten nur abwarten, bis die Schrotkörner sie durchsiebten. Enricos Blick begegnete dem des Rotgesichtigen, und der Mann zuckte mit den Mundwinkeln. Unmöglich zu sagen, ob es ein Zeichen der Anspannung oder des Triumphs war. Sie würden es wohl nie erfahren. Enrico hielt den Blick fest auf sein Gegenüber gerichtet und wartete darauf, dass der Zeigefinger am Abzug sich krümmte.
    Stattdessen ließ der Dorfbewohner die Waffe langsam sinken und sah Enrico und Elena enttäuscht an. Nein, Enrico musste sich korrigieren, der Mann aus Borgo San Pietro sah an ihnen vorbei. Sein Blick war auf irgendetwas hinter ihnen gerichtet.
    Alle Dorfbewohner sahen auf diesen Punkt, und in vielen Gesichtern spiegelte sich die Enttäuschung, wie in dem des Mannes mit der Schrotflinte.
    Langsam wandten Enrico und Elena sich um. Etwa zehn Meter hinten ihnen erhob sich eine seltsame Gestalt auf dem Dach einer der halbrunden Steinhütten und streckte den Menschen die Hände entgegen. Die Geste wirkte auf Enrico halb abwehrend, halb gebieterisch.
    Der Mann war alt, sehr alt. Wo nicht ein struppiger grauweißer Bart sein hageres Gesicht bedeckte, sah man unzählige Runzeln. Er trug die einfache Kleidung eines Landmenschen, aber sämtliche Sachen wirkten abgerissen, als hätte er niemanden, der sich um sie kümmert. Die nackten Füße steckten in Ledersandalen.
    »Tut diesen beiden nichts!«, rief er den Dorfbewohnern mit altersrauer Stimme zu. »Habt ihr das Gebot Gottes vergessen?
    Du sollst nicht töten!«
    »Sie selbst haben gegen das Gebot verstoßen«, entgegnete ein Mann aus der Menge. »Sie haben Benedetto Cavara ermordet, erst vor einigen Minuten.«
    »Selbst wenn das wahr sein sollte, habt ihr nicht das Recht, euch an ihnen zu versündigen. Im Jenseits wird Gott sie richten, und hier wird sich die Justiz ihrer annehmen.«

    »Wir nehmen die Sache lieber selbst in die Hand!«, schrie der Mann und schwang eine eiserne Brechstange über seinem Kopf.
    »Nur dann können wir sicher sein, dass sie ihre gerechte Strafe erhalten.«
    Zustimmende Rufe wurden laut, und die Menge rückte ein, zwei Schritte näher. Wieder flog ein Stein und riss den Boden zwischen Enrico und Elena auf.
    »Halt!«, erscholl die Stimme des Alten mit einer Kraft, die Enrico erstaunte. »Seid ihr des Teufels? Wollt ihr Schuld auf euch und eure Kinder laden, für alle

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