Engelsfluch
Zeiten? Bedenkt doch was so ein Racheakt für eure Familien und das ganze Dorf bedeutet!«
Offenbar wirkten die Worte. Die Leute blieben stehen und begannen, miteinander zu diskutieren. Enrico wollte schon erleichtert aufatmen, da flog ein weiterer, faustdicker Stein durch die Luft und traf Elena an der linken Schläfe. Sie sackte zusammen wie vom Blitz getroffen und blieb reglos vor seinen Füßen liegen. Er kniete nieder, beugte sich über sie und sah, dass ihre linke Kopfhälfte blutüberströmt war.
Ariccia
»Verschlossen«, stellte Alexander enttäuscht fest, als er an dem Kirchenportal rüttelte. »Wozu soll die Kirche auch offen sein, wenn es hier in Ariccia keinen Pfarrer mehr gibt?«
»Aber im Polizeibericht stand etwas von einem Küster«, sagte Stelvio Donati. »Ich hoffte, ihn hier anzutreffen.«
»Hören wir uns ein wenig um!«, erwiderte Alexander und zeigte auf die Straße, durch die Touristen bummelten und Schaufenster begutachteten; die kühle Luft des auf einem Sattel zwischen zwei Tälern gelegenen Ortes zog im heißen Sommer viele Menschen an. »In einem der Läden kann man uns sicher sagen, wo wir den Küster finden. Und vielleicht entdecken wir bei der Gelegenheit auch eine Bar, in der wir auf unser neues Du mit einem Frascati anstoßen können.«
»Man muss jeder Situation ihr Gutes abgewinnen«, sagte Donati augenzwinkernd, schloss seinen vor der Kirche geparkten Fiat ab und ging neben Alexander die Straße entlang.
Sein ungelenker Gang zog neugierige Blicke auf sich, aber das schien er gar nicht wahrzunehmen. Vermutlich hatte er sich in den Jahren, die er sich jetzt mit der Beinprothese herumschlug, längst daran gewöhnt.
Sie waren noch nicht weit gekommen, als mit quietschenden Bremsen ein Wagen neben ihnen anhielt und zwei Männer heraussprangen. Es war ein Streifenwagen, und die Männer trugen Polizeiuniform. Sie bauten sich drohend vor Alexander und Donati auf, und einer bellte: »Wer sind Sie? Was wollen Sie hier?«
Donati lächelte den Mann an. »Und selbst? Wer sind Sie?
Und was wollen Sie hier?«
Der Uniformierte, der eben gesprochen hatte, war ein großer Mann mit kantigem Schädel und einem vorspringenden Kinn, was ihm das Aussehen eines Nussknackers verlieh. Er wirkte irritiert und tauschte einen unsicheren Blick mit seinem jüngeren Kollegen aus. Dann legte er, wie um sich einen Halt zu verschaffen, die rechte Hand ans Leder der Pistolentasche. »Wir sind die Polizei, also stellen wir die Fragen!«
»Falls Ihr Berufsstand das ausschlaggebende Kriterium ist, bin ich genauso berechtigt, Fragen zu stellen«, sagte Donati gelassen und griff in seine Jacke, um den Dienstausweis zu zücken.
Der Nussknacker riss die Augen auf und hielt Donatis rechte Hand fest. »Halt! Was soll das?«
»Ich möchte Ihnen meinen Ausweis zeigen. Sie haben mich doch eben gefragt, wer ich bin.«
»Gut. Aber ganz vorsichtig, okay?«
Donati nickte und zog seinen Dienstausweis hervor, den er dem Nussknacker mit spitzen Fingern unter die Nase hielt.
Ungläubig betrachtete der den Ausweis und stammelte: »Polizia criminale! Sie … Sie sind bei der Kriminalpolizei in Rom!«
»Ich weiß.«
»Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«, brachte der Nussknacker vorwurfsvoll hervor und salutierte umständlich.
»Ispettore Capo Marcello Trasatti und Sovrintendente Fabrizio Polani vom Polizeiposten in Ariccia, zu Ihren Diensten Commissario.«
»Vielen Dank, Signor Trasatti.« Donati steckte seinen Ausweis wieder ein. »Die Polizei in Ariccia scheint mir von der schnellen Truppe zu sein.«
Trasatti nahm das als Kompliment und warf sich stolz in die Brust. »Ein Anwohner hat uns informiert, dass sich jemand am Kirchenportal zu schaffen gemacht hat. Nach dem Mord an Don Carlini sind wir natürlich in höchster Alarmbereitschaft.
Fabrizio und ich sind sofort in den Streifenwagen, um nach dem Rechten zu sehen.«
»Wegen des Mordes sind wir auch hier. Wir hatten gehofft, uns den Tatort mal ansehen zu können. Gibt es in Ariccia nicht einen Küster?«
»Gewiss doch, das ist Signor Questi. Wir haben ihm gesagt, er soll die Kirche verschließen, damit sich nicht die Schaulustigen da herumtreiben und die Spuren verwischen. Soll ich ihn bitten, die Kirche für Sie zu öffnen, Commissario?«
»Sie lesen meine Gedanken, Ispettore Capo.«
Signor Questi war ein nervöser kleiner Mann, den der Mord sichtbar mitgenommen hatte. Fast ohne Unterlass redete er von bösen Mächten, die sich an der Kirche
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