Engelsfluch
versündigt hätten, und als er einen Seiteneingang aufschließen wollte, zitterten seine Finger so stark, dass Trasatti ihm helfen musste, den Schlüssel ins Schloss zu stecken. Als Donati dem Küster anbot, er könne vor der Kirche auf sie warten, nahm Questi das dankbar an.
Die beiden Polizisten aus Ariccia führten Alexander und Donati zu dem Taufbecken, das in der Tat groß genug war, um darin zu ertrinken. Jedenfalls dann, wenn man jemandes Kopf mit Gewalt unter Wasser drückte.
»Wer hat eigentlich den Toten gefunden?«, fragte Alexander.
»Signor Questi«, antwortete Trasatti und lieferte damit eine Erklärung für die strapazierten Nerven des Küsters. »Als Don Carlini nicht zum Abendessen kam, das Signora Questi gekocht hatte, ging ihr Mann in die Kirche, um nach Carlini zu sehen.
Questi fand den Pfarrer über das Taufbecken gebeugt vor und dachte erst, Carlini habe etwas darin verloren. Aber unser Pfarrer war tot.«
Sie gingen wieder nach draußen, wo der Küster stand und die Hände in hilflosem Zorn zu Fäusten ballte. »Wer tut so etwas, Commissario?«
Donati sah ihn ernst an. »Das, Signor Questi, ist die alles entscheidende Frage.«
Alexander und Donati unterhielten sich eingehend mit den beiden Polizisten und auch mit dem Küster. Aber es tauchten keine neuen Gesichtspunkte auf, nichts, was ihnen einen Hinweis geben konnte. So landeten sie schließlich unter dem Sonnenschirm vor einer kleinen Bar und bestellten zwei Gläser Frascati.
Während sie auf den Wein warteten, sagte Donati: »Eine etwas andere Todesart, wenn auch nicht weniger abscheulich als im Fall von Giovanni Dottesio, aber beiden Fällen ist dasselbe Muster gemeinsam. Schnell und konsequent vorgehende Täter, die sich vorher offenbar gut über ihr Opfer und die örtlichen Gegebenheiten informiert haben. Sie sind jeweils ungesehen in die Kirche eingedrungen, haben den Mord vollbracht und sind dann wieder hinaus. So wie ein Paketbote klingelt, sein Paket abgibt und dann in seinen Wagen steigt.«
»Mit dem Unterschied, dass der Paketbote in der Regel gesehen wird – vom Empfänger der Sendung.«
»Stimmt schon, Alexander. Ich wollte mehr darauf hinaus, dass unsere Mörder keine Amateure sind. Sie müssen Übung im disziplinierten Vorgehen haben. Wie Soldaten.«
»Oder wie Schweizergardisten«, ergänzte Alexander.
Der Wein kam, und sie stießen an, versuchten, für die Dauer eines Glases die beiden Morde zu vergessen. Aber Alexander wollte es nicht gelingen, sich zu entspannen. Immer wieder musste er an Elena denken, und ein unerklärliches Gefühl der Unruhe, der Sorge, machte sich in ihm breit.
6
In der Gegend von Borgo San Pietro
Elena lag noch immer reglos auf dem Boden, der sich unter ihrem Kopf rot färbte. Die Wunde blutete stark. Über sein Handy hatte Enrico die Polizei in Pescia informiert, die versprochen hatte, sofort einen Notarzt in die Berge zu schicken.
Jetzt konnte er nicht mehr tun als warten. Elena war ohne Bewusstsein, aber vielleicht war das besser für sie. Er hockte neben ihr und blickte sie fast unverwandt an. Obwohl es ihm in der Seele wehtat, sie so daliegen zu sehen, konnte er seine Augen nicht abwenden. Nur hin und wieder warf er den Leuten aus Borgo San Pietro einen kurzen Blick zu, um sich zu vergewissern, dass sich kein neuer Zornesausbruch anbahnte.
Aber die größte Wut schien sich gelegt zu haben. Vielleicht lag es an der Autorität, die der alte Mann mysteriöserweise ausstrahlte. Oder der Stein, der Elena getroffen hatte, hatte sie zur Vernunft gebracht. Vielleicht hatten sie erkannt, dass ein Menschenleben schnell ausgelöscht war, dass man aber sehr lange mit der Schuld an einer solchen Tat leben musste. Der alte Mann ließ sich auf der anderen Seite von Elena nieder und strich ganz sanft über ihren Kopf. Trotzdem machte Enrico sich Sorgen, der Alte könne Elenas Zustand durch eine unsachgemäße Berührung noch verschlimmern, und er ermahnte den Mann zur Vorsicht.
»Ich bin vorsichtig«, sagte dieser leise, ohne den Blick von Elena zu nehmen.
Die Blutung schien nachzulassen, was Enrico ein wenig Erleichterung brachte. Angestrengt dachte er darüber nach was er für Elena tun könnte, aber ihm wollte nichts einfallen. Um sich abzulenken, fragte er den alten Mann nach seinem Namen.
»Mein Name?« Er schien seltsamerweise überlegen zu müssen, als sei ihm sein eigener Name entfallen. Zögernd sagte er endlich: »Man nennt mich Angelo.«
»Ich möchte mich bei Ihnen bedanken,
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