Engelsfluch
Stadtbezirk verließen und auf der Via Appia in südöstlicher Richtung fuhren, den Albaner Bergen entgegen. Morgens und abends, wenn der Berufsverkehr die Ausfallstraßen überflutete, war hier oft kein Durchkommen mehr. Gerade deshalb hatten sich Alexander und Donati für die Mittagszeit verabredet. Sie wollten nach Ariccia fahren, um Näheres über Pfarrer Giorgio Carlini in Erfahrung zu bringen, den man in seiner Kirche, der Chiesa Santa Maria dell’Assunzione, im Taufbecken ertränkt aufgefunden hatte.
Nicht eine Wolke hinderte die Mittagssonne daran, Rom und seine Umgebung in ihr helles Licht zu tauchen, und Alexander klappte die Sonnenblende herunter. »Wie laufen Ihre Ermittlungen, Commissario?«
Donati warf ihm einen nicht gerade fröhlichen Blick zu, bevor sich wieder auf den Verkehr konzentrierte. »Eher bescheiden. Ich wühle mich durch die Akten und Zeugenaussagen und versuche, eine Spur herauszufiltern, aber es will mir nicht gelingen. Hoffentlich stoßen wir in Ariccia auf einen Hinweis.«
»Aber wir haben einen Hinweis: das Kreuz, das Elena von Signora Ciglio bekommen hat. Haben Sie es untersuchen lassen, wie Sie es vorhatten?«
»Mehr noch. Wir haben den Juwelier ausfindig gemacht, bei dem der Gardekaplan seinerzeit die Kreuze gekauft hat. Es ist ein kleines Geschäft unweit des Vatikans. Der Inhaber konnte sich noch gut an den Vorgang erinnern, weil es für ihn ein verhältnismäßig großer Auftrag gewesen ist, insbesondere die Ausführung der Gravuren. Er hat das Kreuz zweifelsfrei als eines derjenigen identifiziert, die er dem Kaplan verkauft hat.«
»Das ist doch schon etwas. Jetzt wissen wir, dass zumindest einer der Mörder zur Schweizergarde gehört. Und es kann keiner der neu in Dienst genommenen Gardisten sein.«
»Na schön, aber wie bringt uns das praktisch weiter?«, brummte Donati, während er mit einer knappen Handbewegung einen jungen Mann abwimmelte, der an einer roten Ampel die Autoscheiben putzen wollte. »Soll ich in den Vatikan marschieren und alle altgedienten Schweizer bitten, mir ihre Kreuze vorzuzeigen? Und wer keins hat, den stecke ich in Untersuchungshaft?«
»Warum nicht? Wenn wir so den Mörder kriegen.«
»Und was ist, wenn mir zehn oder zwanzig Mann erzählen, sie hätten ihr Kreuz verlegt, verloren, verkauft, verschenkt oder weggeworfen? Soll ich die alle in Kollektivhaft nehmen?«
»Vielleicht wäre der Richtige dabei«, erwiderte Alexander, obwohl er einsah, dass Donati Recht hatte.
»Aber auch nur vielleicht. Schließlich kann der Eigentümer des von Signora Ciglio gefundenen Kreuzes auch ein ehemaliger Gardist sein oder jemand, der das Kreuz gekauft oder gefunden hat.«
»Sie glauben also nicht, dass der Mann, dem das Kreuz gehört und der nach aller Wahrscheinlichkeit zu Dottesios Mördern gehört, in den Reihen der Schweizergarde zu suchen ist, Commissario?«
»Doch, das glaube ich schon, Alexander. Ich will Ihnen nur verdeutlichen, mit welchen Schwierigkeiten ein übereiltes Vorgehen verbunden wäre. Im Zweifelsfall kann es uns mehr schaden als nützen. Denn eins brächte eine solche Aktion auf jeden Fall mit sich: Die Mörder wären gewarnt, wüssten, dass wir ihre Witterung aufgenommen haben.«
»Wenn wir das nur schon hätten!«, seufzte Alexander und blickte nach vorn, wo sich die grünen Hänge der Albaner Berge hinter den Überresten eines alten Viadukts unter dem blauen Spätsommerhimmel erstreckten. Wo es den süffigen, gelben Frascati gab, Köstlichkeiten wie die Castelli-Porchetta, ein im Ofen gebratenes und mit Gewürzen und Kräutern gefülltes Ferkel, Castel Gandolfo mit der Sommerresidenz des Papstes, Sehenswürdigkeiten wie den Albaner See im Krater eines erloschenen Vulkans – und eine Kirche, deren Priester man auf perfide Weise ermordet hatte. Das alles ging Alexander blitzartig durch den Kopf, aber hauptsächlich dachte er an Elena, die jetzt wohl auch in den Bergen unterwegs war, allerdings etwa dreihundert Kilometer weiter nördlich. Er konnte es sich nicht erklären, aber ein beklemmendes Gefühl überfiel ihn. Als hätte Donati seine Gedanken erraten, fragte er: »Wie kommen Sie und Elena voran, Alexander?«
»Ich habe versucht, vorsichtig meine Kontakte zur Garde zu reaktivieren. Es ist nicht ganz leicht, weil viele von meinen alten Kameraden nicht mehr dabei sind. Aber ich konnte herausfinden, dass es im Borgo Pio eine neue Kneipe gibt, die seit kurzem so eine Art inoffizielles Stammlokal der Garde ist.
Sie heißt
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