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Engelsfuerst

Engelsfuerst

Titel: Engelsfuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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willst du?«
»Dir helfen.«
»Warum?«
»Weil du mir immer noch viel bedeutest. Ich habe
keine Sekunde geglaubt, daß du Picardi ermordet hast.
Aber ich denke, daß du der Polizei etwas verschweigst. Ich kenne dich. Wenn du bei dem Unwetter zu Sant’Anna rausgefahren bist, mußt du einen guten Grund gehabt haben, mehr als nur einen vagen
Anruf. Um was geht es in dieser Sache, Elena?«
»Du irrst dich«, sagte sie ruhig. »Ich habe nichts
verschwiegen.«
Er schüttelte den Kopf. »Das nehme ich dir nicht
ab. Sag mir bitte die Wahrheit! Ich will dir doch helfen, vertrau mir!«
»Dir vertrauen? Kommst du dir nicht selbst komisch vor, wenn du so etwas sagst?«
Jetzt schwang Verbitterung in Elenas Stimme mit.
Alexander konnte sie verstehen. Daß ausgerechnet
er sie aufforderte, ihm zu vertrauen, mußte ihr nicht
nur seltsam, sondern wie Hohn vorkommen. Wortlos
wandte er sich ab und verließ den Raum.
5
San Gervasio

E
s sieht alt aus«, sagte Enrico andächtig, nachdem
er das Felsbild wohl minutenlang angestarrt hatte.
    »Könnte es womöglich etruskischen Ursprungs sein?«
»Es ist etruskisch«, bestätigte Tommasio. »Mit ho
her Wahrscheinlichkeit ist es zu Lebzeiten der abgebildeten Personen entstanden. Oder aber nur kurze
Zeit später.«
»Zu Lebzeiten der abgebildeten Personen«, wiederholte Enrico so langsam, daß jede Silbe ein eigenes
Wort zu bilden schien. »Das heißt – wann?«
»Vor mehr als zweitausend Jahren. Um das Jahr
neunzig vor Christus, wenn man genau sein möchte.«
»So genau läßt sich das sagen?«
»Die dargestellte Szene gibt uns den Hinweis. Sie ist
dem Bundesgenossenkrieg zuzuordnen. Haben Sie
schon einmal davon gehört, Enrico?«
Natürlich hatte er das, schließlich hatte er mehrere
Bücher über die Geschichte des etruskischen Volkes
gelesen, und der Bundesgenossenkrieg war Teil dieser
Geschichte.
»Im Jahre 91 vor Christus kam es zum Aufstand einiger bis dahin mit Rom verbündeter italischer Völker
oder, sagen wir besser, von Rom unterworfener Völker, die zwar Truppen für die römischen Kriege und
zur Grenzsicherung des Römischen Reiches stellen
mußten, deren Angehörige aber nicht das römische
Bürgerrecht besaßen. Dadurch waren sie der Willkür
der Obrigkeit ausgesetzt, und das wollten sie nicht
länger hinnehmen. Eine Vielzahl von Stämmen erhob
sich gegen Rom. Letztlich endete der Aufstand für die
Rebellen in einer militärischen Niederlage, aber die
Italiker hatten sich das Bürgerrecht erkämpft.«
Der Abt nickte anerkennend. »Dafür, daß Sie aus
Deutschland stammen, kennen Sie sich in unserer Geschichte erstaunlich gut aus.«
»Habe ich nicht erwähnt, daß meine Mutter Italienerin war?«
»Doch, das haben Sie. Sie stammte aus Rom, nicht
wahr?«
»Nein, aus der Toskana«, berichtigte Enrico, machte jedoch keine Anstalten, nähere Auskünfte über seine Familie zu erteilen.
Dann hätte er erzählen müssen, daß seine Mutter
von ihrer Familie nach Deutschland geschickt worden
war, nachdem ein Geistlicher, in den sie sich verliebt
hatte, sie geschwängert hatte. Dieser Geistliche hatte
später Karriere gemacht, und es wäre Enrico alles andere als lieb gewesen, als Sohn von Papst Lucius erkannt zu werden.
»Der Bundesgenossenkrieg war eine blutige Angelegenheit«, sagte Tommasio. »Zwar wurde den Aufständischen damals das ersehnte Bürgerrecht zuerkannt, aber längst nicht alle haben das noch erlebt. In
vielen Städten, die sich dem Aufstand angeschlossen
hatten, hielten die Römer ein blutiges Strafgericht. Einigermaßen glimpflich davongekommen sind allerdings die Umbrer und die Etrusker, die auf der Seite
Roms geblieben waren, vor allem deshalb, weil ihre
mächtigen Großgrundbesitzer romtreu waren oder –
wie manche schon damals sagten – romhörig. Natürlich gab es auch unter Umbrern und Etruskern Stimmen, die sich für den Krieg gegen Rom aussprachen.
Das sorgte in vielen Städten für Aufruhr, und nicht
selten standen Bruder und Bruder einander feindselig
gegenüber.«
Was Tommasio erzählte, schien Enricos wiederkehrenden Traum erklären zu können. Endlich verstand
er die wüsten Auseinandersetzungen um Frieden oder
Krieg.
»Wenn das Bild tatsächlich so alt ist«, fragte er,
»warum ist es dann so gut erhalten? Durch das Loch
im Felsen dringen Wind, Sonnenlicht und Regen hier
herein. Hätte das Bild dadurch im Lauf von über
zweitausend Jahren nicht weggewaschen oder zumindest beschädigt werden müssen?«
»Vielleicht könnte eine

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