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Engelsfuerst

Engelsfuerst

Titel: Engelsfuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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Minderwertigkeitsgefühle? Seit wann das?«
»Seit ich nicht mehr Schweizergardist war, sondern
ein unerfahrener Vatikanjournalist, der mit der sehr
erfahrenen und allseits anerkannten Vatikanistin Elena
Vida ein Team bildete. Wenn man ständig nur die
Nummer zwei ist, kann einen das auf die Dauer ganz
schön runterziehen.«
»Willst du damit sagen, Elena hätte dir gegenüber
die Ich-bin-dir-in-allem-überlegen-Nummer durchgezogen?«
»Verdammt noch mal, nein, Elena war sehr fair und
hat sich alle Mühe gegeben, aus mir einen guten Journalisten zu machen. Ich selbst habe mir den VersagerHut aufgesetzt, weil ich es nicht ertragen konnte,
ständig von ihr gesagt zu bekommen, was ich zu tun
und zu lassen habe, jedenfalls soweit es den Job betrifft. Wie willst du vor deiner Frau selbstbewußt dastehen, wenn sie dir bei der Arbeit Tag für Tag über
ist?«
»Hm.« Donati klang nicht recht überzeugt. »Und
wie ging es weiter?«
»Mit Streit – mit ungerechtfertigten Vorwürfen
meinerseits und schon eher gerechtfertigten Vorwürfen von Elenas Seite. Irgendwann haben wir kaum
noch miteinander gesprochen, und wenn doch, dann
haben wir uns angegiftet.« Alexander legte eine kurze
Pause ein und holte tief Luft. »Und dann war da diese
blonde Redaktionsassistentin, sehr hübsch und verständnisvoll. Keine Vorwürfe mehr, sondern liebevolle Umarmungen von einer Frau, die dich auffängt,
wenn du mal nicht die Kraft hast, aufrecht zu stehen.«
»Wenn ein Mann nicht mehr die Kraft hat, aufrecht
zu stehen, ist er entweder von fremder Hand umgestoßen worden oder er hat sich selbst fallen lassen. Ich
weiß, wovon ich rede.« Donati klopfte abermals gegen
seine Prothese. »Wie auch immer, du hast dich also
auf eine Affäre eingelassen. Und? Hat es sich gelohnt?«
»Es gab neun oder zehn Tage der Euphorie, dann
haben wir festgestellt, daß wir einfach nicht zueinander passen.«
»Zu wenig, um lohnend genannt zu werden.«
»Aber genug, um das Vertrauen und die Beziehung
zwischen Elena und mir vollends zu zerstören«, sagte
Alexander bitter.
»Das klingt, als würdest du es bereuen.«
»Ja.«
»Wie ist es jetzt, wenn ihr euch im Job begegnet;
wie geht ihr miteinander um?«
»Wir begegnen uns nicht mehr. Ich habe beim Messagero gekündigt.«
»Und wovon lebst du?«
»Zur Zeit versuche ich mich als journalistischer
Freelancer. Das ist ja gerade der Mist: Wäre ich noch
mit Elena zusammen, hätte ich letzte Nacht auf sie
aufpassen können!«
»Oder Bazzini würde jetzt euch beide als mutmaß
liche Mörder verhören.«
»Danke für die Blumen«, knurrte Alexander. »Dein
Vertrauen in mich scheint wirklich grenzenlos.«
»Zumindest was Elena betrifft, hast du dich nicht
gerade mit Ruhm bekleckert.«
Alexander warf ihm einen zornigen Blick zu, bevor
er wieder auf die Straße sah.
»Meinst du, das weiß ich nicht, Stelvio? Wenn du
den glühenden Spieß in meiner Wunde rumdrehst,
machst du es mir nicht leichter.«
»Ich will es dir auch nicht leichter machen, du
Blödmann. Wer eine Frau wie Elena wegwirft, hat es
verdient zu leiden!«
Zur Linken tauchte die Abzweigung auf, die zu den
Ruinen von Sant’Anna führte, ihrem Ziel, und Alexander war froh darüber. Die Unterhaltung mit Donati
hatte ihm seine Sünden, derer er sich ohnehin bewußt
war, einmal mehr schmerzlich vor Augen geführt.
Sie verließen die Via Appia, und der Peugeot rumpelte durch ein paar tiefe Schlaglöcher, in denen nach
den Regengüssen der Nacht das Wasser stand. Es
spritzte nach allen Seiten, und Donati ermahnte Alexander, die Geschwindigkeit zu drosseln.
»Ich habe in meinem langen Polizistendasein nicht
Bomben und Kugeln überlebt, um mich jetzt von dir
zu Tode schaukeln zu lassen.«
Polizeifahrzeuge säumten das letzte Wegstück, und
nach einer Biegung tauchte das verfallene Kloster vor
ihnen auf. Alexander kam es vor wie ein verwunschener Ort aus einem Märchen.
Carabinieri, deren sonst so blankgeputzte Stiefel
mit Schlammspritzern übersät waren, hatten das Gelände weiträumig abgesperrt. Einer kam ihnen mit
grimmigem Gesicht entgegen und wedelte abweisend
mit der Hand. Alexander hielt an und ließ sein Fenster
herunter.
»Kehren Sie um!« bellte der Uniformierte. »Sehen
Sie nicht, daß dieses Gelände gesperrt ist?«
Donati beugte sich zum Fenster und fragte ein wenig
zu süß: »Aber doch nicht für uns, oder, Brigadiere?«
Für einen Moment schien der Carabiniere verwirrt,
doch dann erkannte er den Mann auf dem Beifahrersitz und salutierte

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