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Engelsfuerst

Engelsfuerst

Titel: Engelsfuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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Kräfte, um ihre eigene Macht in
diese Welt zurückzubringen.«
Tommasio war neben sie getreten. »Luzifer und die
Seinen sind stark, aber noch dürfen wir ihrem Rufen
nicht nachgeben. Erst muß alles bereit sein, damit wir
die große Chance nicht vertun.« Er gab seinen Männern einen Wink und deutete anschließend auf Enrico.
»Bringt ihn in sein Zelt und sorgt dafür, daß er sich
ausruhen kann!«
Keine zehn Minuten später streckte Enrico sich auf
seinem Feldbett aus, und Elena legte ein feuchtes, angenehm kühles Handtuch auf seine Stirn. Auch Lucius
kniete neben ihm und legte ihm die Hände auf die
Brust. Von seinem Vater strömte Gelassenheit aus.
Enrico begann sich besser zu fühlen, auch wenn die
Stimmen nicht verstummen wollten.
»Mich erreichen die Rufe ebenfalls«, wiederholte
sein Vater. »Aber du scheinst sie deutlicher zu hören.
Übermitteln sie eine Botschaft?«
»Ich weiß nicht … Ja, vielleicht …« Enrico preßte die
Fingerspitzen gegen seine Schläfen und versuchte, einzelne Stimmen aus dem Gewirr herauszufiltern. »Ich
glaube, die meisten rufen einfach nach mir und auch
nach dir. Sie spüren unsere Anwesenheit und verlangen,
daß wir unsere Kräfte mit ihren vereinen. Aber ich höre
auch andere, warnende Stimmen, und in meinem Kopf
wollen sich Bilder aus längst vergangener Zeit formen.«
»Aus der Zeit, als ein früheres Ich von dir auf den
Namen Vel hörte?«
»Ja. Ich sehe sie vor mir, Larthi und ihren Bruder
Larth. Und Vel – mich selbst.«
»Vielleicht solltest du dich nicht gegen diese Bilder
wehren«, meinte Lucius. »Mag sein, daß in dem Vergangenen eine wichtige Botschaft verborgen liegt.«
»Ist gut, Vater«, sagte Enrico und schloß die Augen.
»Ich will selbst wissen, wie die Geschichte ausgeht.«
    Angeführt von Larth, schritt die Prozession durch den
Höhlengang, den einige Männer mit ihren Fackeln erhellten. An beiden Seiten des Ganges zeigten Bilder
geflügelte Männer, die sich mit Frauen ohne Flügel
einließen. Vel sah die Geflügelten – die Ahnen – mit
Hilfe der Frauen ein neues Volk gründen: Vels Volk.
Aber da waren auch grausame Bilder, auf denen die
Ahnen zur Züchtigung viele von denen, über die sie
herrschten, töteten. Und es gab einen Krieg der Geflügelten untereinander, bei dem auch viele einfache
Menschen zu Tode kamen.
    Vel trat neben Larth und zeigte auf das Bild einer
Stadt, die von Geflügelten mit Flammenschwertern
zerstört wurde, ähnlich der Darstellung vor dem
Höhleneingang.
»Was hat das zu bedeuten?«
    Larth blieb stehen, und alle anderen hinter ihm
ebenfalls.
Nach eingehender Betrachtung des Bildes sagte
Larth: »Hier sehen wir die vielleicht dunkelste Stunde
in der Geschichte unseres Volkes, einen Krieg der
Ahnen untereinander. Seit jenen fernen, düsteren Tagen wandeln die Ahnen nicht mehr unter uns, weil ein
zürnender Gott sie in die Verbannung schickte. Heute
aber, da die Römer dabei sind, unserem Volk auch den
letzten Rest seiner Geschichte und Eigenständigkeit
zu nehmen, brauchen wir die Macht der Ahnen nötiger denn je. Deshalb sind wir hier, Vel, um das Feuer
ihrer Kraft neu zu entfachen!«
Beim letzten Satz trat ein sehnsüchtiger Glanz in
Larths Augen. Larthi drückte Vels Hand, und er las
Sorge und Trauer in ihrem Blick. Sorge angesichts
dessen, was Larth vorhatte, und Trauer über das, was
aus ihrem Bruder geworden war.
Larth straffte sich. »Gleich sind wir an dem Ort, wo
die Macht der Ahnen ihrer Erweckung harrt. Folgt
mir!«
Sie gingen weiter und gelangten in einen großen,
unterirdischen Raum, den das flackernde Licht der
Fackeln nur unzureichend ausleuchtete. Große Ahnenstatuen standen in gleichmäßigen Abständen an
den Wänden und blickten in die Mitte des Raums.
Vel meinte, zwölf steinerne Geflügelte zu zählen,
aber bei dem schlechten Licht mochte er sich täuschen. Jene Figuren, die er besser erkennen konnte,
hielten Schwerter in den Händen. Sie erschienen ihm
wie Wächter.
Je stärker er sich auf die steinernen Wächter konzentrieren wollte, desto schwerer fiel es ihm, seine
Gedanken zu sammeln. Etwas in der großen Höhle
schien sich seiner zu bemächtigen, als sei ein unsichtbarer Fremder in seinen Leib gefahren und versuche
nun, ihn vollständig zu beherrschen. Er hörte fremde
Stimmen und dachte fremde Gedanken, die darauf
zielten, das zum Leben zu erwecken, was hier seit langer Zeit, vielen Jahrtausenden wohl, verborgen lag.
Eine Hand umfaßte die seine, und er fing

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