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Engelsfuerst

Engelsfuerst

Titel: Engelsfuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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könnten«, sagte Enrico und sah Francesco an. »Hast du
kein Handy?«
»Nein, Vater Tommasio hat uns keine Handys erlaubt. Unachtsamer Umgang damit hätte dazu führen
können, daß die Ausgrabungsstelle geortet wird.«
»Wieso sprichst du immer von Vater Tommasio
und nicht vom Ordensgeneral?«
»Für mich war er schon Vater Tommasio, bevor ich
das erste Mal von Totus Tuus hörte. Und das wird er
für mich immer bleiben, auch wenn ich mich von ihm
abgewandt habe.« Francesco stieß einen Seufzer aus.
»Ich hoffe, er kann mir verzeihen.«
»Bereust du schon, daß du uns geholfen hast?«
»Nein, das nicht. Aber ich fühle mich nicht wohl in
meiner Haut. Tommasio war wie ein Vater für mich,
seit …«
»Seit wann?« hakte Enrico nach, als Francesco
plötzlich verstummte.
Francesco sah ihn traurig an. »Seit ich meinen Vater
und meine Mutter getötet habe.«
Und dann erzählte er leise, stockend von seiner
Kindheit, von dem Vater, der zu Hause kaum etwas
anderes tat als zu trinken, zu schimpfen und zu schlagen. Er berichtete von jenem Tag, als der Vater auf die
Mutter einschlug, bis sie sich nicht mehr bewegte.
    Francesco hatte es mit angesehen, aber er wagte nicht
einzuschreiten. Er war noch ein Kind und hätte wohl
nichts anderes erreicht, als den Zorn des Vaters auch
auf sich zu ziehen. Erst als der Vater in der Garage
war, um an seinem Auto herumzubasteln, schlich
Francesco zu seiner Mutter und sprach sie an. Aber sie
blieb stumm, schien nicht einmal mehr zu atmen.
    Die Verzweiflung ließ Francesco seine Angst vergessen. Zorn und der Drang, seine Mutter zu rächen,
beherrschten ihn völlig. Er sprang auf und rannte hinaus zur Garage, wo sein Vater unter dem Auto lag
und fluchend mit einem Schraubenschlüssel hantierte.
Einen Augenblick lang hielt er inne und überlegte,
was er, ein Kind, gegen einen kräftigen Erwachsenen
ausrichten konnte.
    Dann fiel sein Blick auf die Zigaretten und die
Streichhölzer, die sein Vater aus der Hosentasche genommen hatte, bevor er sich unter das Auto zwängte.
Sie lagen auf einem kleinen Tisch neben dem Werkzeug. Und Francesco sah den großen Benzinkanister,
den sein Vater erst kurz zuvor, als die Benzinpreise
nach unten gegangen waren, aufgefüllt hatte.
    Der Kanister stand bei den Reifen auf dem Boden.
Mit ein paar Schritten war Francesco dort und machte
sich an dem Verschluß zu schaffen. Daß er sich dabei
an einer Hand die Haut abschürfte, störte ihn nicht
weiter. Endlich löste sich der Verschluß, und strenger
Benzingeruch erfüllte die Garage.
    Francesco stemmte sich gegen den Kanister und
stieß ihn um. Das Benzin lief aus, breitete sich schnell
auf dem Garagenboden aus und floß auch unter das
Auto.
    »Was ist denn jetzt los?« schimpfte der Vater und
schob den Oberkörper ins Freie, bis sein Blick auf
Francesco fiel. »Bist du bekloppt, du kleiner Idiot?
Ich muß deinen Kopf wohl erst gegen die Wand klatschen, damit du vernünftig wirst!« Der Vater wollte
unter dem Wagen hervorkriechen, erstarrte aber mitten in der Bewegung, als er das aufflammende Streichholz in Francescos Hand sah.
    »Nein, Francesco, tu das nicht!« flehte er mit
schreckgeweiteten Augen.
Das war das letzte, was Francesco von seinem Vater
hörte, bevor er das Streichholz in die Garage warf.
    Francescos rechte Hand zitterte, als halte sie das
brennende Streichholz immer noch. Er hockte im
Schatten einer schiefgewachsenen Buche und schien
ins Leere zu starren, aber in Wahrheit stand ihm die
Vergangenheit vor Augen.
    Enrico ging zu ihm und ließ sich neben ihm nieder.
»Was ist dann geschehen, Francesco?«
»Es gab eine Explosion, als die Flammen auf den
Tank des Autos übergriffen. Jedenfalls nehme ich an,
daß das die Ursache der Explosion war. Ich muß von
der Druckwelle weggeschleudert worden sein, denn
ich habe als einziger überlebt. Mein Vater starb in der
Garage, und meine Mutter verbrannte im Haus.«
»Sie hat also noch gelebt?«
»Als ich das Haus verließ, ja. Vater hatte sie nur
bewußtlos geprügelt, aber das habe ich damals nicht
erkannt. Es wurde bei der polizeilichen Untersuchung
festgestellt. Als ich wieder zu mir kam, lag ich in einem Krankenhaus, und später kam ich in ein Heim.«
»Ein Waisenhaus?«
»Kein normales Waisenhaus. Zu uns kamen keine
Leute, die Kinder adoptieren wollten. Es war ein
Heim für Waisenkinder, die schwere Straftaten begangen hatten, so wie ich. Francesco, der Elternkiller.
So haben mich die anderen im Heim

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