Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engelsfuerst

Engelsfuerst

Titel: Engelsfuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
Vom Netzwerk:
genannt.«
Wieder schwieg er, schien gefangen zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
»Was ist mit Tommasio?« fragte Enrico, als Francesco keine Anstalten machte, den Faden der Erzählung wiederaufzunehmen.
»Irgendwann, ich war schon länger als ein Jahr in
dem Heim, hat er die Leitung übernommen. Das Personal wurde komplett ausgetauscht. Ich glaube, Totus
Tuus hat die Trägerschaft für das Heim übernommen
oder es sogar gekauft. Irgend so etwas, damals haben
mich die Einzelheiten nicht interessiert. Vater Tommasio brachte fromme Brüder und Schwestern mit.
Auch unter ihnen herrschte ein strenges Regiment,
aber es war nicht mehr so trostlos. Sie zeigten uns einen Weg, die sündhaften Taten, die wir begangen hatten, zu sühnen. Für mich wurde Tommasio ein zweiter Vater.«
»Die altbekannte Methode«, schnaubte Elena. »Totus Tuus übernimmt ein Kinderheim und züchtet sich
neue Gefolgsleute heran. Wer von Kindheit an mit extremen Lehren indoktriniert wird, hat dem kaum etwas entgegenzusetzen.«
Francesco warf ihr einen irritierten Blick zu. »Sprechen Sie von mir? Vielleicht ist Totus Tuus nicht das,
was ich darin zu sehen geglaubt habe. Aber es ist auch
nicht alles schlecht daran. Nur Vater Tommasio – er
hat mich enttäuscht. Ich glaube nicht, daß er im Sinne
derer handelt, die den Orden einst gegründet haben.«
»Damit haben Sie vermutlich recht«, lenkte Elena
ein. »Er scheint den Orden mit seinen Leuten regelrecht unterwandert zu haben. Nachdem Totus Tuus
in den vergangenen Jahren weitgehend zerschlagen
worden ist, muß es ihm relativ leicht gefallen sein, die
Überreste an sich zu ziehen und seinem Willen zu unterwerfen.«
Enrico ging zu seinem Vater, der ein Stück abseits
saß und aus dem Bach trank.
»Hast du gehört, was Francesco erzählt hat?«
»Jedes Wort«, antwortete Lucius.
»Wenn Tommasio ihm ein zweiter Vater geworden
ist, dann haben wir hier vielleicht eine Erklärung für
die Überlieferung, von der du erzählt hast. Tommasio
ist ein Nachfahre Luzifers und Francesco sein Ziehsohn, also der Sohn von Luzifers Sohn.«
»Vielleicht hast du recht.« Lucius blickte zu Francesco hinüber. »Allerdings spüre ich bei ihm nicht die
Macht der Engelssöhne, sondern nur Verwirrung und
Scham.«
Sie konnten sich nicht weiter austauschen, denn
plötzlich rief Elena: »Hört ihr nicht? Sie kommen!«
Aus der Ferne ertönten Stimmen, leise noch, aber
doch gefährlich nahe. Eilig erhoben sich die vier und
verließen ihren Rastplatz, um sich wieder in das felsige Gelände zu schlagen.
48
Vatikanstadt

W
    o eben noch Rodrigo Kardinal Scheffler gestanden hatte, war Sekunden später nicht mehr
zu sehen als ein Häufchen Asche und ein halbverbrannter Schuh. Die Schreckensstarre, die alle beim
Anblick des brennenden Klerikers erfaßt hatte, löste
sich auf einen Schlag, sobald das Feuer erloschen war.
Panik brach aus. Die Menschen schrien durcheinander
und versuchten, möglichst schnell aus der Kirche herauszukommen.
Einen halbwegs kühlen Kopf schienen nur die
    Schweizergardisten zu bewahren, die eilends herbeiliefen und sich schützend vor Papst Custos stellten. In
ihren blaugelbroten Galauniformen, die sie für die
Messe angelegt hatten, und mit ihren Hellebarden sahen sie allerdings eher malerisch als gefährlich aus.
Und wie sollten sie ihren Papst auch schützen vor etwas, das Menschen von innen heraus verbrennen ließ?
Diese Frage ging Alexander durch den Kopf, während er sich bemühte, vom Strom der aufgeregten
Masse nicht mitgerissen zu werden. Donati wäre fast
zu Boden gegangen, aber Alexander hielt ihn fest, und
gemeinsam konnten sie sich aus dem Menschenknäuel
lösen. Vor dem Papstaltar trafen sie auf den Gardekommandanten Schmidhauser und auf Bruno Spadone,
der einige seiner Männer herbeiwinkte.
»Sie sollten den Heiligen Vater rasch wegbringen,
    Oberst!« sagte Donati.
»Wir sind schon dabei«, erwiderte Schmidhauser
und gab den Gardisten rund um Custos einen Wink.
Die Schweizer umringten den Papst und bildeten
einen menschlichen Schutzschild, während die kleine
Gruppe sich auf einen Seitenausgang zubewegte.
»Wenn ich das nicht mit eigenen Augen gesehen
hätte, würde ich es nicht glauben«, sagte Spadone und
blickte hinüber zu der Stelle, wo Kardinal Scheffler in
Flammen aufgegangen war. Aber selbst die Asche
und der Schuh waren inzwischen verschwunden, von
der fliehenden Menge zerstreut. »Was hat das verursacht?«
»Fragen Sie lieber, wer hat das verursacht!«

Weitere Kostenlose Bücher