Engelsfuerst
nicht kennt«, überlegte Alexander.
»Es handelt sich um einen großen, einäugigen
Mann.«
»Wieso …«
»Wir wissen, daß er nur ein Auge hat, weil du ihm
gestern abend das andere ausgestochen hast! Dankenswerterweise, denn die Untersuchung des Auges –
oder dessen, was davon übrig war – hat eine genetische Übereinstimmung mit dem an Picardis Leiche
gefundenen Blut ergeben. Was sagst du jetzt?«
»Ich sage, der Vatikan sollte diese Schirme nur noch
an Touristen mit Waffenschein verkaufen.« Beide lachten, dann fragte Alexander: »Weiß Elena es schon?«
»Sie wird es bald erfahren. Ich bin auf dem Weg ins
Präsidium, um ihre Freilassung in die Wege zu leiten.«
Alexander stieg aus dem Bett. »Ich komme mit.«
»Halt, mein Freund, du bist krank gemeldet! Mit
einer Gehirnerschütterung ist nicht zu spaßen.«
»So schlimm ist es nicht. Ich bin gerade entlassen
worden.«
»Von wem?«
»Von der einzigen Person, die über mich zu
bestimmen hat«, sagte Alexander und tippte gegen
seine Brust. »Und wenn du mich nicht mitnimmst,
fahre ich eben mit dem Taxi zum Präsidium.«
»Na schön«, seufzte Donati. »Vielleicht ist es ganz
gut, wenn du mitkommst.«
»Wie meinst du das jetzt?« fragte Alexander, während er das weiße Krankenhausnachthemd abstreifte
und seine Kleider aus dem kleinen Spind nahm.
»Es kann nicht schaden, wenn Elena mal eine gute
Nachricht von dir hört. Daß du sie noch immer liebst,
sieht doch ein Blinder mit Krückstock.«
Eilig schlüpfte Alexander in Hose und Hemd, froh,
Donati nicht ansehen zu müssen.
»Was tut das zur Sache, wenn es nicht auf Gegenseitigkeit beruht?«
»Weißt du das so genau, Alex?«
»Sie behandelt mich jedenfalls wie ein Stück Scheiße.«
»Was natürlich daran liegen könnte, daß du dich ihr
gegenüber wie ein Stück Scheiße benommen hast.«
»Ich dachte, du bist mein Freund, Stelvio! Auf welcher Seite stehst du eigentlich?«
»Ich dachte, ich bin mit euch beiden befreundet«, erwiderte Donati und ahmte Alexanders leicht pikierten
Tonfall nach. »Jedenfalls wirst du nicht herausfinden,
wie Elena zu dir steht, wenn du nicht mit ihr sprichst.«
Alexander, der inzwischen fertig war, sah Donati
skeptisch an. »Für eine Unterhaltung braucht es immer noch zwei.«
»Ich habe nicht behauptet, daß es leicht wird.«
Als sie das Zimmer verließen, wären sie fast mit einer älteren Frau im Arztkittel zusammengeprallt. Dr.
Boccia musterte Alexander wie einen Marsmenschen.
»Wo wollen Sie hin, Signore?«
»Ich räume das Feld beziehungsweise das Bett«,
antwortete Alexander. »Mein bescheidener Beitrag
zur Kostensenkung im Gesundheitswesen.«
»Kosten hin, Kosten her, Sie müssen liegen! Ihre
Gehirnerschütterung ist nicht weltbewegend, aber ein
paar Tage Ruhe sind jetzt das Beste für Sie.«
»Mag schon sein, aber Ruhe werde ich jetzt bestimmt nicht finden.«
Alexander warf der Ärztin eine Kußhand zu. »Vielen Dank für alles und auf ein nicht so baldiges Wiedersehen, Dottoressa!«
Als sie die Station verließen, mußte Alexander sich
Beschimpfungen anhören, die aus dem Mund einer
Akademikerin älteren Semesters doch sehr befremdlich klangen.
Eine halbe Stunde später, im Polizeipräsidium auf
dem Quirinal, trafen sie auf einen aufgebrachten
Commissario Bazzini, der Donati anstarrte wie einen
Schwerverbrecher.
»Stimmt es, daß sie gerade Elena Vidas Freilassung
veranlaßt haben?«
»Das ist korrekt, Kollege«, erwiderte Donati überaus gelassen.
»Wie kommen Sie dazu?«
»Die Untersuchungsergebnisse sind eindeutig«, sagte Donati und erwähnte die Blutspuren des unbekannten Killers. »Damit ist eine Täterschaft Elena Vidas
mehr als unwahrscheinlich. Also besteht kein Grund,
sie länger in Haft zu behalten. Bedenken Sie, daß Signorina Vida für die Presse arbeitet.«
»Das ist mir doch egal! Sie ist meine Gefangene,
und ich dulde es nicht, daß Sie mich einfach übergehen, Donati! Nicht Sie sind mit dem Fall betraut, sondern ich. Ich werde mich an höchster Stelle über Sie
beschweren.«
»Oh, Verzeihung, das wissen Sie ja noch nicht.«
Donati lächelte und täuschte Verlegenheit vor. »Der
Fall ist mir übertragen worden, von höchster Stelle übrigens.«
»Wer hat das veranlaßt?«
»Fragen Sie im Innenministerium nach.«
Bazzini schluckte, fing sich aber schnell wieder.
»Und mit welcher Begründung sind Sie jetzt an dem
Fall dran?«
»Mord ist ein Kapitalverbrechen, und ich leite, wie
Sie wissen, die europäische Fahndungs- und
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