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Engelsfuerst

Engelsfuerst

Titel: Engelsfuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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Koordinationsstelle für Kapitalverbrechen. Der Vatikan ist
ein selbständiger Staat, also ist meine Behörde mit der
Leitung der Untersuchung beauftragt worden.«
Donati und Alexander ließen, als sie sich auf den
Weg zum Zellentrakt machten, einen ebenso wütenden wie verblüfften Bazzini zurück.
Sie hatten das Ende des Gangs fast erreicht, da rief
er: »Aber der Vatikan ist nicht in der EU!«
Donati blieb stehen und drehte sich zu ihm um.
»Ich weiß das, Commissario Bazzini. Das müssen Sie
dem Innenminister erzählen, falls Sie dazu Lust verspüren.«
Bazzini war nicht ganz zu Unrecht verwirrt, wie
Alexander fand.
Auch er hatte, als er damals nach Rom gekommen
war, um seinen Dienst in der Schweizergarde anzutreten, einige Zeit gebraucht, um die Strukturen und Zuständigkeiten innerhalb des Vatikans zu durchschauen.
Der Vatikan war der Hauptsitz der katholischen
Kirche, aber zugleich war er ein eigener Staat mit eigener Armee – wohl mit Abstand der kleinsten der
Welt –, mit Polizei, Post und Finanzwesen. Dabei
verstand der Vatikan es auf beeindruckende Weise,
seine politische Unabhängigkeit zu bewahren und sich
doch den sich verändernden Verhältnissen der Weltpolitik anzupassen. Früher hatte er sich eng an Italien angelehnt und dessen Währung mit eigenen Lire kopiert.
Heute gab der Vatikan, obwohl nicht Mitglied der Europäischen Union, eigene Euro-Münzen heraus, die
aufgrund ihrer geringen Stückzahl schnell zu begehrten Sammelobjekten avanciert waren.
Auch was die polizeiliche Zusammenarbeit anging,
zeigte der Vatikan eine ambivalente Haltung. Einerseits hatte er die eigene Polizei und Justiz und achtete
streng auf seine diesbezügliche Unabhängigkeit, andererseits zog er die italienische Polizei immer dann hinzu, wenn er mit seinen bescheidenen Mitteln nicht
weiterkam oder ein Fall innerhalb der engen vatikanischen Staatsgrenzen nicht zu lösen war.
In diesem Zusammenhang war die Zuständigkeit
von Donatis neuer Behörde in einem nicht öffentlich
bekanntgegebenen Abkommen zwischen dem Vatikan
und der Europäischen Union für all jene Fälle, in denen der Vatikan die EU um Amtshilfe bat, ausgedehnt
worden, wie Alexander jetzt erfuhr.
Außerdem war Donati als Freund jener besonderen
Menschen, die sich Auserwählte oder Engelssöhne
nannten und zu denen auch die beiden Päpste zählten,
der bevorzugte Ansprechpartner des Vatikans in allen
polizeilichen Angelegenheiten, die der Kirchenstaat
nicht allein regeln konnte. Aber nur wenige Leute
wußten, wie eng Donati mit dem Heiligen Stuhl verbunden war, und Bazzini gehörte nicht zu ihnen.
    Elena lag in ihrem Krankenbett und starrte, die Hände
unter dem Kopf verschränkt, die Decke an. Alexander
kannte diese Haltung; die nahm sie häufig ein, wenn sie
über ein Problem nachdachte. Sie sah ihre morgendlichen Besucher erstaunt an, aber ihr Gesicht blieb ernst.
    »Du könntest ruhig ein bißchen freundlicher dreinschauen«, sagte Donati. »Schließlich bin ich nicht
Commissario Bazzini.«
    »Hoffentlich quälst du mich auch nicht mit solch
idiotischen Fragen, wie Bazzini sie mir dauernd stellt!«
seufzte Elena. »Ob ich ein Verhältnis mit Picardi gehabt hätte, ob es ein Mord aus Eifersucht gewesen sei.
Oder ob ich ihn, um an Informationen aus dem Vatikan zu kommen, bestochen und dann bei einem Streit
ums Geld ermordet hätte. Und so weiter und so fort.«
    »Keine Sorge, Bazzini wird dich so bald nicht wieder behelligen.«
»Wieso? Ist er versetzt worden?«
»Das leider nicht«, sagte Donati. »Aber die Nachrichten für dich sind viel besser: Du bist frei, Elena!«
Sie schien ihm nicht recht zu glauben und legte den
Kopf schief, während etwas Bohrendes in ihren Blick
trat.
»Frei? So wie frei dahinzugehen, wohin ich will?«
Donati grinste. »Damit hast du die Bedeutung des
Wortes ›frei‹ exakt umschrieben.«
»Woher dieser Sinneswandel?«
»In der letzten Nacht ist einiges passiert, und Alexander war darin verwickelt.«
Elena bedachte Alexander mit einem knappen Nikken. »Auf deiner Stirn klebt ja ein Quadratmeter Pflaster.«
»Da hat er noch Glück gehabt.« Donati zeigte auf
Alexanders Kopf. »Ein Stückchen weiter hier, und die
Kugel hätte statt einer Schramme auf der Stirn ein
Loch in diesem Dickschädel hinterlassen. Das kommt
davon, wenn man den Enthüllungsjournalisten spielen
will und nicht mal die eigenen Freunde bei der Polizei
einweiht.«
Elenas Gesicht nahm einen bestürzten Ausdruck
an, und in diesem

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