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Engelsfuerst

Engelsfuerst

Titel: Engelsfuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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um die fünfzig Mönche in dem
abgelegenen Bergkloster gelebt. Jetzt war es nur noch
ein Dutzend. Die meisten Plätze an der langen Tafel
blieben leer, die Mönche von San Gervasio hatten sich
an der Stirnseite versammelt.
Tommasio, der Abt, nickte ihm zu und deutete auf
den Platz neben Francesco. Enrico setzte sich neben
den Mönch, der ihm von allen am vertrautesten war,
und der Abt sprach das Tischgebet. Anschließend trug
Bruder Ambrosio Brot, etwas Käse und Hirsebrei auf.
Zu trinken gab es Wasser und Ziegenmilch. Wenn Enrico hier etwas vermißte, dann war es ein heißer, starker Kaffee.
Das Frühstück wurde, wie alle Mahlzeiten, schweigend eingenommen. Enrico fühlte sich unbehaglich,
nicht wegen seines Traums, sondern weil er sich von
Tommasio beobachtet glaubte. Wiederholt warf der
Abt ihm Blicke zu, die er einfach nicht zu deuten
wußte.
Nach dem Frühstück begab Enrico sich in das kleine Büro, in dem Tommasio alle Unterlagen über das
Kloster aufbewahrte. Als studierter Jurist, der bis vor
zwei Jahren Rechtsanwalt gewesen war, hatte Enrico
sich bereit erklärt, die rechtlichen und finanziellen Belange des Konvents zu ordnen. Quasi als Gegenleistung dafür, daß die Mönche ihn bei sich aufgenommen hatten. Kaum hatte er sich hinter den engen
Schreibtisch gezwängt, klopfte es, und der Abt stand
in der Tür.
»Darf ich eintreten?«
Enrico machte eine einladende Geste. »Das müssen
Sie nicht fragen, Vater. Schließlich ist es Ihr Büro.«
Tommasio kam herein und ließ sich auf dem hölzernen Besucherstuhl nieder. Er legte die Ellbogen auf
die Schreibtischplatte, stützte das markante Kinn auf
seine gefalteten Hände und sah Enrico nachdenklich
an. Es war derselbe Blick, der Enrico schon im Speisesaal aufgefallen war.
»Ist es wegen Francesco?« fragte Enrico, einer Eingebung folgend. »Hat er Ihnen von meinen Träumen
erzählt, Vater?«
Tommasio nickte kaum merklich. »Sie dürfen Francesco deshalb nicht böse sein, Enrico, oder das gar als
Vertrauensbruch sehen. Ich weiß, daß zwischen Bruder Francesco und Ihnen so etwas wie Freundschaft
besteht. Gerade deshalb hat er sich mir anvertraut. Er
macht sich ernsthaft Sorgen um Sie, und er wußte sich
nicht anders zu helfen. Gibt es etwas, über das Sie mit
mir sprechen möchten?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte Enrico. »Wahrscheinlich muß ich allein damit fertig werden. Gerade deshalb war ich froh, mich in die Einsamkeit von San
Gervasio zurückziehen zu können.«
Seine Gedanken wanderten zurück zu den Ereignissen am Engelssee, zu Vanessas Opfertod und der
Wiedervereinigung der katholischen Kirche, die sich
aufgrund der reformerischen Bestrebungen von Papst
Custos, den viele den Engelspapst nannten, gespalten
hatte. Seit der Wiedervereinigung standen zwei Päpste
an der Spitze der Kirche, Custos und Lucius, der eigentlich Tomas Salvati hieß und Enricos leiblicher Vater war – und ein Nachkomme des Erzengels Uriel.
Es waren verrückte, aufregende und schicksalsträchtige Tage gewesen, nicht nur für die katholische
Christenheit, sondern auch für Enrico. Er brauchte
Zeit, viel Zeit, um all das zu verarbeiten. Deshalb hatte
er die Stelle in der neuen, von Stelvio Donati geleiteten EU-Polizeibehörde, die Donati selbst ihm angeboten hatte, abgelehnt.
Er hatte in seiner Zeit als Rechtsanwalt genug verdient, um sich eine Auszeit nehmen zu können. So
hatte er angefangen, in Rom Vorlesungen über Theologie und alte Geschichte zu hören, und sich in einer
Unmenge von Büchern vergraben. Er hatte über die
Bibel gelesen, über die Geschichte des Christentums
und über das geheimnisvolle Volk der Etrusker, mit
dem sich jene uralten Wesen, die man gemeinhin als
Engel bezeichnete, verbrüdert hatten. Die Suche nach
Spuren der Etrusker hatte ihn auch hierher geführt,
nach Umbrien. Er hatte Francesco, der im Vatikan ein
paar Verwaltungsangelegenheiten für den Konvent geregelt hatte, schon in Rom kennengelernt, und sie waren einander sofort sympathisch gewesen. Deshalb
hatte Enrico seine Einladung, im Kloster San Gervasio
zu wohnen, gern angenommen.
»Viel Aufregung und viel Leid. Vielleicht zu viel für
einen Menschen allein.«
»Wie?« fragte Enrico verwirrt, denn die Worte des
Abts drangen wie aus weiter Ferne zu ihm, so sehr
war er in Gedanken versunken gewesen. »Was sagen
Sie, Vater?«
»Sie haben viel durchgemacht, und es fällt Ihnen
schwer, das alles einzuordnen, dem Ganzen einen
Sinn zu geben, der Sie mit Gott

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