Engelsfuerst
Vater?«
»Der Kranke, den ich im Kloster besuchen will, ist
nach Aussage des Arztes nicht transportfähig. Der
Hubschrauber nutzt in dieser Hinsicht also nichts. Ich
weiß nicht, wie lange ich in San Gervasio bleiben werde, aber es dauert sicher eine ganze Weile. Also fliegen
Sie nur zurück nach Rom!«
Secchi salutierte und stieg in die Hubschrauberkanzel, von wo aus er dem Papst und den drei Schweizergardisten nachsah, die sich an den Aufstieg machten.
Der Pilot warf den Motor an, und der Hubschrauber
stieg langsam, schwebte kurz über der kleinen Gruppe
auf der Bergstraße und schwirrte dann in südlicher
Richtung davon, zurück zum Militärflughafen von
Ciampino, wo die italienische Regierung ständig einen
Helikopter für den Vatikan in Bereitschaft hielt.
Lucius und seine Begleiter waren noch nicht weit gegangen, als ihnen aus der Richtung des Klosters ein
schwerer Mercedes-Geländewagen entgegenkam. Es war
das Fahrzeug, das sie im Klosterhof hatten stehen sehen.
»Kann jemand erkennen, wer drinsitzt?« fragte
Leutnant Klameth.
Kübler kniff die Augen zusammen und starrte dem
Mercedes entgegen. »Nichts zu machen, Herr Leut
nant, die Scheiben sind getönt.«
»Heiliger Vater, verstecken Sie sich hinter dem
Baum da, bitte!« sagte der Leutnant, und es war mehr
ein Befehl als eine Bitte. »Kübler und Hofer, Deckung
suchen und Schußbereitschaft herstellen!«
Während Lucius sich in den Schatten einer Tanne
begab, hockte Kübler sich hinter einen gezackten Felsen ganz in seiner Nähe und brachte das Sturmgewehr
in Anschlag. Der lange Zarli Hofer hastete zur anderen Straßenseite, warf sich hinter einen Heidelbeerstrauch und brachte ebenfalls sein Sturmgewehr in
Stellung. Nur Leutnant Klameth blieb auf der Straße
stehen und öffnete die lederne Pistolentasche an seiner
Seite, ohne jedoch die Waffe zu ziehen. Er hob die
linke Hand, um den unsichtbaren Mercedes-Fahrer
zum Halten zu veranlassen.
Der Wagen wurde langsamer und kam kurz vor
Klameth zum Stehen. Als die Beifahrertür aufgestoßen wurde, nahm Kübler die Stelle ins Visier, wo die
aussteigende Person sich zeigen mußte. Gleichzeitig
suchte er mit dem rechten Zeigefinger den Druckpunkt des Abzugs. Dann sah er einen Mann in
Mönchskutte und atmete auf.
»Ich bin Tommasio, der Abt von San Gervasio«,
sagte der große, hagere Mann. »Ist der Heilige Vater
nicht bei Ihnen?«
Lucius trat hinter der Tanne vor. »Entschuldigen
Sie das Versteckspiel, Bruder Tommasio. Meine Beschützer hielten es für angebracht.«
Der Abt ging vor dem Papst auf die Knie, senkte
das Haupt und küßte den Fischerring. Die Fahrertür
wurde geöffnet, und ein weiterer Mönch, von gedrungener Gestalt und mit einem gutmütigen Mondgesicht, stieg aus, um es seinem Abt gleichzutun.
»Das ist Bruder Giuseppe, der in San Gervasio alles
repariert, was sich nur reparieren läßt«, stellte der Abt
ihn vor. »Wir sind gekommen, um Sie abzuholen,
Heiliger Vater.«
Kübler schüttelte den Kopf. Heute war wirklich ein
seltsamer Tag. Erst flog Papst Lucius ohne vorherige
Ankündigung auf diesen abgelegenen Berg, und jetzt
wurden sie von zwei Mönchen abgeholt, deren Kloster aussah wie eine uralte Ruine, die aber einen modernen Geländewagen fuhren.
Leutnant Klameth sprach aus, was Kübler dachte:
»Einen tollen Wagen haben Sie, Signor Abate.«
»Der gehört nicht uns, sondern Dr. Avati«, erklärte
der Abt.
»Er hat uns den Wagen geliehen, damit wir Seine
Heiligkeit schneller zu dem Kranken bringen können.«
Kaum hatte Tommasio geendet, da fragte Lucius:
»Wie geht es Enrico?«
»Er ist sehr schwach, aber er hat nach Ihnen gefragt,
Heiliger Vater. Er meinte, nur Sie könnten ihm helfen.«
»Was ist geschehen?«
»Ich weiß es nicht. Er hat sehr abgeschieden in unserer kleinen Gemeinschaft gelebt, weil er innere Einkehr suchte. Heute morgen fanden wir ihn wie leblos
in seiner Zelle. Zwar atmete er noch, aber er war
schwach wie ein Neugeborenes. Fast so, als sei er in
nerlich ausgebrannt.«
»Bringen Sie mich bitte zu ihm, schnell!« sagte Lucius und stieg, gefolgt von den Gardisten, in den Fond
des Geländewagens.
Tommasio runzelte die Stirn, als er Kübler und Hofer mit ihren martialisch aussehenden Sturmgewehren
sah, sagte aber nichts dazu. Auch die Mönche stiegen
ein, und Giuseppe wendete den Mercedes, indem er
geschickt den spärlichen Raum ausnutzte, den die enge Straße ihm bot. Routiniert beschleunigte er, und
der Wagen jagte mit aufheulendem Motor den Berg
hinauf.
Kübler, der
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