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Engelsfuerst

Engelsfuerst

Titel: Engelsfuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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sich an den jungen, wie aus
dem Ei gepellten Banker, der ihn und Donati zwei
Tage zuvor zum Generaldirektor des IOR geführt
hatte.
Donati räusperte sich und meinte: »Das ist doch
Schefflers Sekretär!«
»Befürchten Sie da einen Loyalitätskonflikt?« fragte
Luu. Donati nickte. »So etwas in der Art, Don Luu.«
Luu machte ein unglückliches Gesicht. Custos lächelte ihn aufmunternd an.
»Nicht aufgeben, Henri. Weshalb haben Sie Pallottino vorgeschlagen?«
»Weil er einer der Besten ist, Heiliger Vater. Wenn
nicht der Beste. Keiner hatte im Internat so gute Noten wie er. Außerdem war er bis vor kurzem – bevor
Scheffler ihn in sein Büro geholt hat – Picardis Sekretär. Ich dachte, von daher müßte er sich mit Picardis
Aufzeichnungen gut auskennen.«
Alexander und Donati wußten beide, was mit »Internat« gemeint war, und der Polizeidirektor faßte es in
Worte: »Pallottino ist also der Sohn eines Geistlichen.«
Viele katholische Geistliche hatten trotz des Zölibats Kinder, und die katholische Kirche unterstützte
die unehelichen Sprößlinge ihrer Kirchenmänner.
Nicht nur und vielleicht nicht einmal vorrangig aus
Nächstenliebe, sondern auch, um die öffentliche Empörung in Grenzen zu halten. Besonders begabte Söhne ihrer Priester förderte die Kirche durch ein Stipendium für eine Ausbildung, die ihnen später einen Einsatz in der Verwaltung des Vatikans erlaubte, soweit
sie sich nicht gleich dem Priesteramt zuwandten. Im
Vatikan hatte sich für diese Institution der Ausdruck
»Internat« eingebürgert.
»Dieses leidige Zölibat«, sagte Custos gequält. »Wie
Sie wissen, habe ich schon einmal versucht, es abzuschaffen. Aber selbst einem Papst sind Grenzen gesetzt, und unsere eben doch konservative Kirche ist
für diesen Schritt noch nicht bereit.«
Donati, dem der Sinn nicht nach einer kirchenpolitischen Debatte stand, trommelte ungeduldig auf Picardis Geheimakten. »Meinetwegen versuchen wir es
mit diesem Pallottino. Er muß sich allerdings zur Geheimhaltung verpflichten und darf auch Kardinal
Scheffler nicht sagen, was er hier tut.«
Ein Telefonat von Henri Luu, und zehn Minuten
später saß Fabio Pallottino in dessen Büro und zeigte
sich von der Anwesenheit des Papstes sehr beeindruckt. Luu erklärte ihm, daß ihm eine höchst wichtige Aufgabe übertragen werden solle, daß er aber außer
den hier anwesenden Personen niemandem etwas darüber sagen dürfe, auch nicht seinem Vorgesetzten.
»Aber … was sage ich Seiner Eminenz, wenn er mich
fragt?«
»Sie werden Seiner Eminenz sagen, daß der Heilige
Vater persönlich Sie zum Stillschweigen verpflichtet
hat«, antwortete Luu. »Außerdem erhalten Sie für die
Zeit, die Sie brauchen, um diese Aufgabe zu lösen, ein
eigenes Büro. Dann werden Sie nicht allzu häufig mit
Kardinal Scheffler zusammentreffen.«
Pallottino wirkte noch nicht überzeugt, und Custos
fügte hinzu: »Wenn Sie die Aufgabe übernehmen, geschieht das absolut freiwillig, mein Sohn. Niemand
hier will Sie in einen Gewissenskonflikt stürzen, und
niemand wird Ihnen einen Strick daraus drehen, wenn
Sie nein sagen. Aber Don Luu hat Sie in dieser Angelegenheit als den Besten empfohlen.«
Das schmeichelte Pallottino, und er setzte sich unwillkürlich kerzengerade hin. »Wenn ich Ihnen dienlich sein kann, Heiliger Vater, übernehme ich jede
Aufgabe. Selbstverständlich können Sie auf mein Stillschweigen zählen.«
»Danke, mein Sohn«, sagte Custos, und Luu erläuterte dem jungen Banker, worin seine Aufgabe bestand.
»Geheime Akten von Don Picardi?« Pallottino
warf dem dickleibigen Ordner einen respektvollen
Blick zu. »Woher stammen die?«
»Das hat Sie nicht zu interessieren«, sagte Donati
brüsk. »Je weniger Sie über die Hintergründe wissen,
desto besser. Sie sollen die Akten unvoreingenommen
prüfen und uns sagen, was sie beinhalten. In verständlichen Worten, wenn das möglich ist.«
»Selbstverständlich, Dirigente Donati«, sagte Pallottino eilfertig.
Donati musterte ihn eingehend. »Ihrer Reaktion
entnehme ich, daß Sie von diesen Unterlagen nichts
gewußt haben.«
»Nein, wieso auch?«
»Weil Sie Picardis Sekretär gewesen sind, bevor
Kardinal Scheffler Sie zu sich geholt hat. Hatten Sie
danach noch engen Kontakt zu Picardi?«
»Nein, so gut wie keinen. Meine neue Aufgabe hat
mich ganz in Anspruch genommen.«
Donati legte eine Hand auf den Aktenordner. »Ihnen war also nicht bekannt, daß Picardi wichtige Akten sammelte, die offenbar

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