Engelsgesang
Körper des Anderen ausströmte, war unglaublich. Wenn Testosteron spürbar war, dann hier.
Obwohl er die Lider zusammenpresste, brannte der Blick dieser blauen Augen noch immer auf ihm. Der Andere schien auf eine Antwort zu warten, vorher würde er ihn wohl nicht freigeben.
Panik stieg in Ángel hoch. Das Gefühl, in die Enge gedrängt zu sein, hatte er so schon einmal über sich ergehen lassen müssen. Jeder Nerv seines Körpers vibrierte. Er konnte die Nähe des Anderen nicht länger ertragen. Er wusste nicht, was passieren würde, wenn er das noch länger durchhalten musste. Vielleicht würde ihm eine Sicherung durchbrennen und er würde durchdrehen. Er musste ihn sich vom Leibe schaffen. Sofort.
„Ich … ich habe dich verstanden … ich … ich werde sie in Ruhe lassen“, stotterte Ángel mühsam. Hoffentlich reichte das als Antwort. Er würde nicht mehr lange durchhalten. Er hatte das Gefühl, die Luft wurde ihm abgeschnürt.
Endlich wich der Andere zurück, ließ ihn wieder atmen, nahm aber auch die gesamte Kraft, die ihn aufrecht gehalten hatte, mit sich fort. Ángels Beine gaben nach. Kraftlos rutschte er an der rauen Wand herunter. Es war, als hätte ihn nur der Zorn dieses Typen aufrecht gehalten. Jetzt wo er ihn nicht mehr spürte, sank er einer Ohnmacht nah zusammen.
Er saß da und wartete - wartete auf eine erneute Attacke, eine Hand, die ihn am Kragen packte und wieder auf die Beine zog oder den Tritt eines Fußes. Lange saß er da, wartete und beobachtete das Zittern seines Körpers, das Vibrieren seiner überspannten Nerven. Doch nichts geschah.
Als er sich nach endlosen Minuten endlich traute, die Augen zu öffnen, war der Weg vor ihm leer. Der schwarze Typ war verschwunden.
10.
10.
Am nächsten Morgen sah Wolfgang zu, wie Ángel das Frühstück zubereitete. Ángels Bewegungen waren fahrig und er wirkte zerstreut, so als wäre er mit seinen Gedanken an einem anderen Ort.
„Kann ich dir irgendwie helfen?“, fragte Wolfgang, als er sah, wie Ángel zum wiederholten Male der Löffel aus den Fingern glitt.
„Danke, das mit dem Kaffee schaffe ich schon.“
„Ich meine nicht den Kaffee. Du hast doch irgendein Problem. Heute Nacht jedenfalls hattest du einen Albtraum, oder?“
Ángels Hände hielten mitten in ihrer Bewegung inne.
„Ich wollte dich wirklich nicht beim Schlafen beobachten“, entschuldigte sich Wolfgang. „Aber du hast dich herumgewälzt und gestöhnt. Dein gestriger Fototermin bei dieser Valerie war wohl doch nicht so der Hit? Es tut mir leid, dass ich dich dazu überredet habe.“
„Nein, nein, das war es nicht.“ Ángel rührte mit dem Löffel im Kaffeepulver herum. „Habe ich etwa im Traum geredet?“
„Nein, kein Wort“, log Wolfgang. Natürlich hatte er wieder gestöhnt und auch Sätze gestammelt, so wie jede Nacht, seit er bei ihm schlief. Es waren immer dieselben Worte. Kurz überlegte er, ob er ihm dies sagen sollte. Egal, was den Jungen quälte, vielleicht konnte er ihm helfen? „Willst du darüber reden?“, fragte er. „Ich bin der Meinung, dass man sein Herz ausschütten sollte, wenn man bedrückt ist. Und dein Herz scheint übervoll zu sein.“
Ángel hob sein Gesicht. Seine Augen waren schwarz vor Kummer.
„Sie hat einen Aufpasser.“
Wolfgang schüttelte verwirrt den Kopf. „Wer?“
„Diese Valerie …“, Ángel stockte. „Die Professorin. Da war gestern Nacht so ein aufgestylter Gothic-Typ, der auf mich gewartet hat. Als ich aus dem Haus kam, hat er mir aufgelauert und mich bedroht, ich solle sie in Ruhe lassen und solche Sachen. Du kannst dir sicher vorstellen, dass man da in Panik geraten kann ...“ Ángel setzte die Untertasse ab, da die Tasse darauf zu klirren begonnen hatte.
„Gothic-Typ?“, fragte Wolfgang und ignorierte Ángels zitternde Hand. „Was meinst du damit?“
„Na, so ein schwarz gekleideter, weißgeschminkter, auf dem Friedhof rumhängender Grufti. Die hast du bestimmt auch schon mal in der Fußgängerzone gesehen.“
„Ach du meinst die, bei denen man immer denkt, sie wären Satanisten?“
„Ja, so einer war das. Schwarze Kleidung, schwarze lange Haare und ein unglaubliches Imponiergehabe … Dabei will ich von dieser Valerie doch gar nichts. Sie ist es, die was von mir will …“
„Immer mit der Ruhe“, fiel Wolfgang ihm ins Wort. „Wenn du diesen Typ das nächste Mal siehst, sag ihm einfach die Wahrheit, genau so, wie gerade mir: du machst das alles wegen der Knete. Dann sind die Fronten doch
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