Engelsgesang
wieder, dass mich das nichts angeht!“
Martin und Karin wechselten einen vielsagenden Blick miteinander.
„Okay … du lagst mit deiner Vermutung richtig“, begann Martin und sah dabei starr vor sich auf den Boden.
„Welche Vermutung? Die, dass du ein Arschloch bist?“ Verärgert trat Wolfgang noch einen Schritt näher. „Rede endlich und schleich nicht um den heißen Brei herum. Wir brauchen eine schnelle Lösung und ihr scheint vielleicht eine zu haben. Also, sprich!“
„Wir gehören einem schwarzmagischen Zirkel an, der die Möglichkeit hätte, ihm zu helfen“, antwortete Martin leise.
„Wie? Meinst du mit Hilfe von Hokuspokus und okkulten Messen? Vergiss es, ich dachte, ihr hättet eine gute Idee und nicht so einen Humbug!“
„Das ist kein Humbug“, ging Karin dazwischen. „Frater Azurite hat Fähigkeiten, die denen eines medizinischen Hypnotiseurs gleichkommen. Und um deinen Zweifeln gleich zuvorzukommen: Hypnose ist kein fauler Zauber, sie ist medizinisch anerkannt und kann alle möglichen psychischen Krankheitsbilder heilen. Wir waren schon einige Male Zeuge, wie er zerrüttete Persönlichkeiten innerhalb weniger Stunden geheilt hat.“
Martin hob den Blick und sah Wolfgang lange an. „Ich kann Angel nicht gegen seinen Willen zwingen, aber vielleicht schaffen wir es gemeinsam, ihn umzustimmen. Überleg nur mal, er könnte die ganze Scheiße, die ihm passiert ist, einfach abhaken und als ein neuer unbelasteter Mensch weitermachen. Tief in seinem Unterbewusstsein wären die Dinge noch immer vorhanden, aber sie wären weggeschlossen, für immer, hinter Türen mit dreifachen Schlössern.“
„Hypnose … schwarze Magie … Also, ihr müsst selber zugeben, das klingt schon ziemlich irre …“ Wolfgang setzte sich und sah erst Martin und dann Karin an. „Okay, ich sehe schon, ihr findet das nicht irre, aber der normale Weg ist das nun, weiß Gott nicht.“
„Nein, Gott hat damit wirklich nichts mehr zu tun.“ Martin sagte das mit einem ernsten Gesicht, ohne eine erkennbare Gemütsbewegung.
„Mann“, Wolfgang schlug sich verzweifelt gegen die Stirn. „Muss es denn gleich so ein Satanistenkram sein? Können wir nicht erst mal mit normaler Psychotherapie anfangen?“
„Könnten wir, wenn wir genug Zeit hätten. Aber du willst es doch nicht riskieren, Angel morgen mit aufgeschlitzten Pulsadern in deiner Wanne vorzufinden, nachdem du schnell mal Brötchen vom Bäcker geholt hast?“
„Nein, natürlich nicht.“
„Also, worauf warten wir dann noch? Je schneller wir reagieren, umso eher geht es Angel wieder besser.“ Liebevoll strich Martin ihm über das zerzauste Haar. „Gib mir mal ne Tasse schwarzen Kaffee, ich versuch ihn aufzuwecken. Karin? Rufst du Frater Azurite und die anderen an. Vielleicht schaffen wir es sogar noch heute Nacht.“
„In Ordnung“, schnell stand Karin auf und huschte auf den Flur hinaus, um die Telefonate zu erledigen.
„Wir müssen jetzt noch einmal an einem Strang ziehen“, sagte Martin und blickte Wolfgang ernst an. „Es hat keinen Sinn, wenn du nicht dahinter stehst. Wir müssen ihn beide überzeugen. Uns vertraut er. Wenn er auch nur einen Zweifel bei dir wittert, kann das ganze Unternehmen damit gefährdet sein.“
„Ich helfe dir. Für sein Wohlergehen helfe ich dir noch einmal. Aber das wird sicher das letzte Mal sein. Danach geht jeder wieder seinen Weg und Angel darf selbst entscheiden, wem er folgt.“
„Meine Rede. Ich lege genauso wenig Wert auf deine Gesellschaft, so wie du auf meine.“
„Na, da sind wir uns ausnahmsweise mal wieder einig, Grufti“, sagte Wolfgang grimmig.
„Nenn mich nicht Grufti, wenn du selber einer bist!“ Martin hielt ihm ohne eine Regung in der Mimik die offene Hand entgegen. „Gib mir einen Handschlag auf unser Abkommen und lass uns zusehen, dass wir Angel endlich wach bekommen.“
64.
64.
Es hatte Martin einige Überzeugungsarbeit gekostet, Wolfgang klarzumachen, dass er keinen Zutritt zu dem stattfindenden Ritual erhalten würde. Er hatte ihm noch nicht einmal den Ort verraten, zu dem er und Karin mit Ángel fuhren.
„Das kann ich nicht zulassen. Ich kann Angel nicht einfach so gehen lassen, ohne zu wissen, wann ich ihn wieder sehe und wie es ihm in der Zwischenzeit ergeht.“ Er blickte durch das Rückfenster, wo Ángel passiv und mit geschlossenen Augen neben Karin saß, die ihm die Hand auf den Unterarm gelegt hatte, als ob sie damit verhindern konnte, dass er doch noch aussteigen
Weitere Kostenlose Bücher