Engelsgrab
erklärt, wohin sie gegangen ist. Und dass sie von dort um zehn Uhr abends aufgebrochen ist.«
»Es tut mir leid, Mr Simmons, aber das sind nun mal die Standardfragen, die ich stellen muss.«
»Schön, aber dann beeilen Sie sich damit. Je schneller wir hier fertig sind, desto eher können Sie sich wieder auf die Suche nach unserer Tochter machen.«
»Das werde ich auch.«
Noch einmal drehte Brady sich zu Louise Simmons um. »Wissen Sie, was Sophie gestern Abend anhatte?«
»Einen schwarzen Baumwollrock und ein T-Shirt«, antwortete sie leise. »Und ihre Ugg-Stiefel.«
»Sonst noch etwas?«, fragte Brady behutsam.
Sie schüttelte den Kopf und kämpfte mit den Tränen.
»Sind Sie sicher?«
»Oh … und einen schwarzen Schal«, flüsterte Mrs Simmons und biss sich auf die Lippe.
Tränen liefen über ihre Wangen, als sie das Foto auf dem Tisch betrachtete.
»Hatte Sophie irgendwelche Tätowierungen?«, fragte Brady so sanft wie möglich. »Oder trug sie sonst irgendeinen Körperschmuck?«
»Was soll das alles?«, brach es aus Simmons hervor. »Warum quälen Sie uns mit solchen Fragen?«
»Weil es Standardfragen sind«, wiederholte Brady ruhig.
Er schaute zu Louise Simmons hinüber.
Wie betäubt schüttelte sie den Kopf.
»Nein – nein, so etwas hat sie nicht. Sie ist doch erst fünfzehn.«
Simmons wandte den Blick ab.
»Stimmen Sie dem zu, Sir?«, hakte Brady nach. »Hatte Sophie eine Tätowierung oder nicht?«
Ohne Brady anzusehen, antwortete Simmons: »Sie haben doch gehört, was meine Frau gesagt hat. Sophie ist ein fünfzehnjähriges Schulmädchen.«
Auch ohne die Hilfe von Amelia Jenkins wusste Brady, dass der Mann auswich. Jede Wette wäre er eingegangen, dass Simmons sowohl von der Tätowierung als auch dem Nabelring wusste. Die Frage war nur, warum er es nicht zugeben wollte.
»Also kann ich mich auf Ihre Aussage verlassen«, beharrte Brady.
»Sie sollten mir lieber sagen, warum Sie das unbedingt wissen wollen«, schlug Simmons zurück. »Sie sind doch derjenige, der hier etwas verheimlicht.«
»Ich muss mich an die Regeln halten.« Brady stand auf. »Sobald ich etwas Neues erfahre, melde ich mich.«
Mit tränenfeuchtem Gesicht sah Louise Simmons zu ihm hoch, in ihrem Blick noch immer der kleine Rest Hoffnung, dass Brady ihre Tochter lebend zurückbringen würde. Unter ihren blauen Augen war die Wimperntusche verlaufen, und das blonde Haar fiel ihr wirr ins Gesicht. Dennoch erkannte Brady die auffallende Ähnlichkeit zwischen ihr und dem Mädchen auf dem Foto.
Simmons dagegen wirkte erstaunlich gefasst, wartete nur ungeduldig darauf, dass Brady verschwinden möge.
Brady verabschiedete sich von Louise Simmons. Er hätte ihr gern etwas Tröstendes gesagt, aber er wollte ihr keine falschen Hoffnungen machen.
Simmons begleitete ihn zum Ausgang und hielt Brady am Arm fest.
»Sie wissen doch etwas, oder?«
»Nein, Sir«, entgegnete Brady und bemühte sich um eine ausdruckslose Miene.
»Sie lügen«, zischte Simmons und ließ Bradys Arm los.
»Ich weiß, wie schwierig das für Sie ist, aber –«
»Wie denn?«, fiel Simmons ihm ins Wort. »Wie soll ein anderer das denn wissen?«
Brady wandte sich zum Gehen.
»Halt«, sagte Simmons. »Zuerst sagen Sie mir noch, was da hinten auf dem alten Potter-Hof vor sich geht.«
»Welchem Hof?«, wich Brady aus.
»Jetzt tun Sie doch nicht so. Seit Stunden ist da hinten alles voller Polizisten, und das Gelände haben sie auch abgesperrt.«
»Darüber kann ich leider noch nicht reden.«
»Behandeln Sie mich nicht wie einen Idioten, Detective Inspector Brady. Denn falls Sophie etwas zugestoßen ist, möchte ich das wissen.«
»Ich fahre jetzt zum Revier«, verabschiedete sich Brady und trat hinaus auf die Veranda. »Sobald ich etwas höre, gebe ich Ihnen Bescheid.«
Hinter ihm wurde die Tür zugeworfen. Auf dem Weg zum Wagen holte Brady sein Handy hervor. Er brauchte zwei Polizistinnen, Kontaktbeamtinnen, die sich um die Simmons kümmerten, wenn sie die Schreckensnachricht erhielten. Er selbst war nicht gut, wenn es um das Leid anderer Menschen ging. Er konnte Leid verursachen, wie Claudia ihm versichert hatte, aber wenn er irgendwo Trost spenden sollte, war er im Nu aus der Tür. Frustriert kickte er einen Stein aus dem Weg, sah zu, wie er über die Einfahrt zum Bürgersteig rollte, und tippte Tom Harveys Rufnummer ein.
»Tom? Hier ist Jack. Hör zu, was das ermordete Mädchen betrifft, da gibt es ein paar Hinweise.« Brady warf einen Blick
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