Engelsgrab
betont. Brady wusste nur, dass es sich dabei um ein Mädchen aus Shanes Clique handelte, die ebenso wie die anderen Mitglieder nicht daran dachte, mit der Polizei zu reden, und erst recht nicht, wenn es um einen Mordfall ging. Brady war schon dankbar dafür, dass Shane mit seiner Information herausrückte. Und er vertraute McGuire. Offenbar war der Mord an Sophie ihm so nahegegangen, dass er sich umgehört und Fragen gestellt hatte. Vielleicht hätte er sich mit den Antworten zufriedengeben sollen, aber stattdessen hatte er Druck ausgeübt und die Polizei einschalten wollen. Das war sein großer Fehler gewesen.
Angefangen hatte es auf der Party, die in der Mordnacht auf dem alten Bauernhof stattgefunden hatte. Daher rührte Shanes Information, auch wenn er in der Nacht selbst nicht dabei gewesen war.
»Aber du sagst doch selbst, dass das Mädchen sturzbetrunken war«, setzte Brady noch einmal an. »Vielleicht hat sie irgendetwas missverstanden.«
»Hat sie nicht«, beharrte Shane. »Sie hat gehört, wie sich zwei Schnallen in der Wolle hatten und die eine später mit einem Typen geredet hat.«
»Wie spät war es da?«
»So gegen eins oder später. Genau weiß sie das nicht mehr.«
Brady warf Conrad einen vielsagenden Blick zu. Wenn McGuire recht hatte, dann könnte das der Durchbruch sein, den sie so dringend benötigten.
»Die beiden hatten was am Laufen, so viel hat sie mitgekriegt. Sie wollte mit ihm nach London abhauen, und er hat gesagt, das kann sie vergessen. Und dann ist sie knallsauer geworden und hat gesagt, jetzt erzählt sie das mit ihnen beiden allen Leuten.«
Sophie und Ellison, dachte Brady und erinnerte sich an Evies Aussage, nach der Sophie fortgewollt hatte.
»Wie ging es dann weiter?«, drängte Brady ihn.
Shane sah ihn von der Seite an und grinste schwach. »Kannst du dir das nicht denken, Bulle? Der Typ ist massiv ausgetickt und hat gesagt, das würde sie aber bereuen. Und dann hat sie gekreischt, dass ihr das ganz egal ist und sie es trotzdem jedem erzählt. Und dann hat sie noch ›Jimmy‹ gerufen und angefangen zu schreien.«
Bradys Magen verkrampfte sich. Als er zu Conrad hinüberschaute, sah der ihn bestürzt an.
»Und dann?«, fragte Brady.
»Dann hat die Freundin von meinem Kumpel es mit der Angst gekriegt und ist getürmt.«
Brady wurde klar, dass Sophie verzweifelt versucht haben musste, Matthews anzurufen, als Ellison gewalttätig geworden war. Von der Zeit her würde es passen, denn sie hatte ihn um ein Uhr einunddreißig angerufen. Eigentlich war es sogar der Beweis, dass Sophie sich nicht mit Matthews gestritten hatte, denn sonst hätte sie wohl kaum versucht, ihn telefonisch zu erreichen.
»Könnte sich das Ganze kurz vor halb zwei abgespielt haben?«, fragte er hoffnungsvoll.
»Schon möglich«, entgegnete Shane. »Was weiß man schon, wenn man breit ist.«
»So schlimm kann es nicht gewesen sein«, meinte Brady. »Sie hat ja doch einiges mitgekriegt.«
»War das Mädchen Sophie?«
»Ich glaube schon.«
Shane versuchte, nach dem Wasserbecher zu greifen, und sank stöhnend zurück.
Brady nahm den Becher und führte den Strohhalm behutsam zwischen Shanes aufgeplatzte Lippen. Der Junge trank mit schmerzhaft verzogenem Gesicht.
»Danke«, murmelte er. Brady stellte den Becher zurück.
»Und sonst hat die Freundin von deinem Kumpel nichts mehr gehört?«
»Nein«, flüsterte Shane. »Aber Sie kriegen den Kerl doch, oder?«
»Ganz sicher«, versprach Brady und stand auf. »Wir kriegen ihn, weil du uns geholfen hast.«
»Das hatte sie nicht verdient«, murmelte Shane. »So zu sterben …«
Dann ging die Tür auf, und Trina kam herein. »Na, Jack«, sagte sie. »Bist du jetzt zufrieden.«
»Ja. Und danke, dass ich mit Shane reden durfte.«
»Bedank dich bei dem Jungen. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte er nichts gesagt. Shane hat zu viel Herz.«
Mit bekümmerter Miene setzte sie sich auf den frei gewordenen Stuhl.
»Danke, Shane«, verabschiedete sich Brady und ließ seinen Blick auf dem Jungen ruhen. Trina hatte recht. Shane mochte sich noch so kaltschnäuzig geben, aber er wusste doch, was Mitgefühl war. Wahrscheinlich passte er gar nicht in die Welt, in der er lebte; das Problem war nur, dass es für ihn kaum einen Ausweg gab. Das wusste seine Mutter ebenso wie Brady.
Brady tat das Herz weh, als er daran dachte, wie mutig Shane gewesen war, als er mit ihm gesprochen hatte, und auch schon vorher, als er begonnen hatte, Fragen zu stellen. Das tat
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