Engelsgrube - Almstädt, E: Engelsgrube
Anschließend holte er ein Fläschchen Nasenspray aus seiner Tasche und benutzte es. Pia wartete die Prozedur ungeduldig ab.
»Könnte diese Aussage jemand bestätigen? Mit wem waren Sie zu dem Zeitpunkt im Sub ?«
»Ich war allein. Es war affenvoll, das weiß ich noch. Der Laden hat sich mittlerweile herumgesprochen.«
Pia hatte das Gefühl, dass er noch etwas hinzufügen wollte, wenn man ihm genügend Aufmerksamkeit dafür schenkte.
»Sie kennen bestimmt viele Leute dort. Wer war noch da in dieser Nacht?«
»Ich kann mich täuschen. Es ist verdammt lange her, und ich war ziemlich streifig den Abend … Ich hatte mehrere Cocktails intus.«
»Wen haben Sie noch gesehen?«
»Ich glaube, dass auch Pracht an dem Abend im Sub war. Merkwürdig, nicht? Das ist eigentlich kein Laden für so einen …«
Pia verbarg ihren Triumph hinter einer gleichgültigen Miene. »Ist das eine späte Rache an einem verhassten Lehrer, oder ist das eine Tatsache?«
»Weder noch. Wenn Sie so hartnäckig fragen, müssen Sie damit rechnen, dass ich Ihnen auch meine abwegigsten Eindrückenoch mitteile, nur um vielleicht ein Lächeln in Ihr Gesicht zu zaubern.«
»Wo ist Beate Fischer heute?«
»Ich habe keine Ahnung.«
Die Exhumierung von Karlheinz Wörnsens Leiche lastete wie ein schwerer Stein auf Pias Brust. Der Tote lag seit Mitte Juni unter der Erde. Durch ihre Einmischung waren jetzt seine sterblichen Überreste wieder ans Tageslicht befördert worden. Das war nicht komisch.
Pia versuchte, den Druck auf ihrem Brustkorb durch tiefe, regelmäßige Atemzüge zu mildern. Wenn sie etwas essen wollte, musste sie an diesen Wörnsen denken. Wenn sie allein in ihrem Bett aufwachte, ebenfalls …
Neulich war sie mitten in der Nacht aufgestanden und hatte ein neues Bild begonnen: eine Sinfonie brauner Erdtöne, die sich gegen das gräuliche Braun eines Eichensarges behaupteten. Die Schaufel des Totengräbers glänzte in einem kalten Stahlgrau …
Und auch dieses Bild war kein geeignetes Hochzeitsgeschenk für Tom und Marlene. Zu allem Überfluss konkurrierten in Pias Terminkalender der Zeitpunkt der standesamtlichen Trauung ihres Bruders mit der Beerdigung Birgit Mansteins, die man ebenfalls für den heutigen Vormittag angesetzt hatte. Trotz allem zog Pia den Termin auf dem Friedhof vor … Zunächst jedoch stand die Frühbesprechung an. Karlheinz Wörnsen war dem Bericht des zuständigen Gerichtsmediziners zufolge aufgrund gewaltsamer Verhinderung der äußeren Luftzufuhr zu Tode gekommen. Vermutlich war er mit einem weichen Gegenstand erstickt worden, zum Beispiel einem Kissen oder einer Decke.
Die forensische Untersuchung hatte dementsprechend zum Ergebnis, dass Wörnsens Tod höchstwahrscheinlich durch Fremdverschulden verursacht worden war. Der späte Zeitpunkt der Obduktion war der sicheren Bestimmung der Todesart natürlich abträglich.
Nach Ansicht des Gerichtsmediziners hätte auf dem Totenschein, den der Hausarzt ausgestellt hatte, stehen müssen: »ungeklärt, ob natürlicher/nicht natürlicher Tod«. Dann hätte eine sofortige Obduktion der Leiche vollständige Klarheit gebracht.
Als Wilfried Kürschner Auszüge des vorläufigen Berichts vorgelesen hatte, herrschte einen Moment lang Schweigen untern den Mitarbeitern des Kommissariats. Nach so langer Zeit war kriminalpolizeiliche Todesermittlung schwierig. Die Vermutung, der Tod Karlheinz Wörnsens könne in Zusammenhang mit den anderen Opfern der »Freitags-Serie« stehen, würde bis auf Weiteres wohl eine Vermutung bleiben müssen.
Die Obduktion hatte zum Beispiel keine sicheren Anhaltspunkte für den genauen Todeszeitpunkt ergeben. Hierfür musste man sich auf die Angaben von Zeugen und die des Hausarztes stützen. Nachbarn hatten Karlheinz Wörnsen am Abend seines Todes gegen acht Uhr noch in seinem Garten gesehen. Da der Hausarzt ihn am nächsten Morgen tot in seinem Bett aufgefunden hatte, kam nur die Nacht von Freitag auf Samstag in Frage.
Der Hausarzt hatte angegeben, dass die Totenstarre bei der Untersuchung der Leiche schon voll entwickelt gewesen sei, was normalerweise acht bis zwölf Stunden nach Herzstillstand der Fall ist. Die Totenflecken waren stark ausgeprägt und nur noch auf festen Druck wegdrückbar. Ein weiterer Hinweis dafür, dass der Todeszeitpunkt zwischensechs und zwölf Stunden vor Untersuchung der Leiche gewesen sein musste.
Da der Hausarzt laut seinen Unterlagen die Untersuchung um 11.10 Uhr durchgeführt hatte, lag der
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