Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd
tut mir wirklich leid, aber wir haben keine Julia Albright im System, Ma’am“, hörte Violet die Rezeptionistin sagen.
Sie blieb so nahe stehen, wie es möglich war, ohne aufdringlich zu wirken.
„Vielleicht haben Sie den Namen nicht richtig geschrieben.“ Die alte Dame sprach einen eleganten britischen Akzent. „Schauen Sie bitte noch einmal nach. Albright, Julia“, buchstabierte sie.
„Ich habe den Namen richtig geschrieben. Ich versichere Ihnen, ich ...“
„Hier, sehen Sie“, die Frau legte einen kleinen Stapel Bilder auf die Glasplatte, „ich habe Fotos. Sie war zweimal wöchentlich bei Ihnen, sie hat keine einzige Untersuchung ausgelassen.“
„Mrs. Albright“, ein genervter Ton schwang in der Stimme der Rezeptionistin, „Sie irren sich. Ihre Tochter ist nicht im System. Und das bedeutet, dass sie hier nicht behandelt worden ist.“ Ihr Blick glitt zu Violet und wieder zurück. Die Diskussion war ihr offensichtlich unangenehm. „Wenn Sie jetzt bitte unser Haus verlassen möchten, es warten andere Patienten, die Termine haben.“
„Aber Doktor Arnolds, der arbeitet doch bei Ihnen, nicht wahr? Er war der Arzt, der die Studie überwacht hat.“
„Bitte Ma’am, das hat doch keinen Zweck. Sie bilden sich etwas ein.“
„Ich habe da draußen einen Parkplatz gesehen, da steht sein Name drauf. Reserviert für Doktor Arnolds.“ Der Tonfall der Dame wurde schrill. „Warum lügen Sie mich an?“
Eine der Aufzugtüren glitt auf und zwei Männer in grauen Anzügen traten hinaus. Violet sah die Kabel, die von den Mikrofonen hinunter in die Hemdkragen führten. VORTEC leistete sich eine eigene Sicherheitstruppe. Interessant.
„Miss Albright, wenn Sie nicht sofort gehen, rufe ich die Polizei.“
„Ja, rufen Sie die Polizei!“ Mit einer heftigen Bewegung fegte die Dame ihre Fotos zurück in die Handtasche. In diesem Moment erreichten sie die beiden Gorillas. Sie fuhr herum und Violet konnte ihr Gesicht sehen, rosige Pergamenthaut, Lesebrille und ihre Lippen, die vor Aufregung zitterten. „Rufen Sie doch die Polizei!“, verlangte sie, während die Männer sie zum Ausgang drängten. „Erklären Sie denen, was mit Julia passiert ist!“
Lautlos sank die Glastür hinter ihr ins Schloss.
„Entschuldigen Sie bitte, es tut mir leid, dass Sie das mit anhören mussten.“ Die Rezeptionistin hatte zurückgefunden in ihren synthetisch-höflichen Tonfall. „Willkommen bei VORTEC Pharmaceuticals. Mein Name ist Mara, wie kann ich Ihnen helfen?“
„Schon in Ordnung.“ Violet strich sich die Haare zurück und setzte ihr bestes missbilligendes Lächeln auf. „Können Sie solche Leute nicht schon an der Tür abfangen?“
„Es tut mir leid.“ Maras Lider flatterten. „Ich wusste ja nicht ...“ Sie brach ab. „Das wird nicht wieder vorkommen.“ Ein angestrengtes Lachen. „Jetzt sind wir ja gewarnt.“
„Ich habe einen Labortermin. Gesundheitscheck.“
„Natürlich.“ Sichtlich erleichtert wandte sich Mara ihrem Computer zu. „Ihr Name, bitte?“
„Elena Bartoc.“
Lackierte Fingernägel glitten über die Tastatur und hielten inne. „Elena Bartoc?“
„Für neun Uhr dreißig.“
Das Klappern setzte wieder ein, nun mit einem Hauch Nervosität. „Bei wem haben Sie den Termin gemacht, bitte?“
„Jesus, wenn diese Schlampe sich schon wieder vertan hat“, Violet lehnte beide Arme auf die Glasplatte und beugte sich vor. „Amy heißt sie, Süße. Und Sie sollten vielleicht damit anfangen, qualifiziertes Personal einzustellen. Das wäre heute das zweite Mal, dass sie mich umsonst hierher bestellt. Und wissen Sie, was? Ich sorge dafür, dass sich das herumspricht, okay?“ Sie ließ ihre Stimme ansteigen und reihte die Drohungen aneinander wie Maschinengewehrfeuer. Einschüchterung, das hatte sie schon bei den Cops gelernt. Dem anderen keine Zeit zum Nachdenken lassen. „Sie werden richtig schlechte Publicity kriegen. Das wird Ihren Aktionären gefallen! Und wenn Sie glauben, dass mein Vater danach auch nur noch einen Finger für VORTEC rührt, dann liegen Sie falsch! Wie war Ihr Name? Mara?“
Die Rezeptionistin wurde blass unter der dunklen Haut. Sicher hatte sie nicht erwartet, dass auf das Malheur mit der alten Frau gleich ein noch schlimmerer Eklat folgen würde. Einer, der sie ihren Job kosten konnte, wenn sie etwas Falsches sagte.
„Hören Sie mir gut zu, Mara. Sie rufen jetzt im Labor an und klären das. Ich werde den Termin nicht noch einmal verschieben, und wenn ich von
Weitere Kostenlose Bücher