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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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erkannte, dass es keinen Kampf geben würde. Nicht hier und heute. Dann glättete sich ihr Antlitz, eine unheimliche Verwandlung, die jede Spur von Emotion tilgte.
    „Also?“ Sie legte den Kopf zur Seite. „Du weißt doch längst, dass die Garde im Dunkeln tappt. Warum bist du gekommen?“
    „Ich will dir helfen.“ Eine seltsame Ruhe breitete sich in Gabriel aus, als schaffe sein Unterbewusstsein ein Gegengewicht zu dem Zorn, der sich noch immer unter der Oberfläche staute. Alles an Katherina forderte seinen Widerspruch heraus, doch hatte er seinen Sieg bereits errungen. Ohne Waffen und ohne einen Tropfen Blut zu vergießen. Das stimmte ihn versöhnlich.
    „Du willst dir selbst helfen.“
    Er zuckte mit den Schultern. „Und indem ich mir helfe, helfe ich der Garde.“
    „Was erwartest du von mir?“ Ihre Marmorfassade war so makellos wie zuvor. Nichts zeugte mehr von der emotionalen Eruption, die soeben stattgefunden hatte.
    Gabriel trat an ihr vorbei ans Fenster und betrachtete die Autos, die auf sechs Spuren über die Kreuzung rollten. „Erzähl mir, was du über die Entführungen weißt.“
    Vor dem Parkhaus auf der anderen Straßenseite döste ein Penner. Zwei junge Koreanerinnen stöckelten vorbei und unterhielten sich angeregt, Kaffeebecher in der Hand.
    „Und dann?“, fragte sie.
    „Habe ich vielleicht einen Namen für dich. Und einen Ort, an dem wir mit der Suche beginnen können.“

    Violet fuhr in den zweiten Stock der Klinik. Alle anderen Tasten reagierten nicht auf ihren Fingerdruck. Vermutlich brauchte man eine Chipkarte, um sie zu aktivieren. Das Institut war abgeschottet wie eine Hochsicherheitsanlage.
    Die Aufzugtüren öffneten sich in ein kleines Atrium mit cremefarbenen Ledersesseln. Der Empfangstresen war umlagert von einer Gruppe Frauen, die sich leise unterhielten. Die Krankenschwester auf der anderen Seite telefonierte. Kaffeeduft milderte den strengen Geruch nach Desinfektionsmittel. Violet schlüpfte am Empfang vorbei in den langen Korridor, der von Milchglastüren ohne Türklinken gesäumt wurde. Zwei Ärzte kamen ihr entgegen, grüßten sie und blieben vor einer Tür stehen. Einer der beiden legte seine Hand auf ein kleines Metallfeld. Mit einem Klicken löste sich die Verriegelung und die Tür glitt auf. Die Ärzte verschwanden im Raum dahinter. Nachdem die Tür wieder ins Schloss gefallen war, trat sie näher und untersuchte den Mechanismus.
    „Sensorfeld für einen Fingerabdruck“, flüsterte sie in ihr Mikrofon, „und eine Kamera für Gesichtserkennung.“
    „Wo bist du?“, knackte Marshalls Stimme.
    „Im Patientenbereich der Klinik. Ich habe gleich meinen Labortermin.“ Sie wandte sich ab und folgte dem Korridor bis zum Ende.
    „Mach keinen Scheiß, okay?“
    „Was denn? Chipkarte klauen hat sich ja gerade erledigt. Warte mal.“
    Sie stieß leicht gegen eine Tür, die einen Spalt offen stand.

    „Marco del Calzo war der erste“, sagte Katherina. „Wir haben es nur nicht gleich realisiert. Niemand hat sich Gedanken gemacht, als er von der Bildfläche verschwand. Ein paar Leute dachten, dass ihm der Boden hier zu heiß geworden ist und er einfach eine Zeit lang untertauchen wollte. Außerdem“, ein abschätziger Ton schlich sich in ihre Stimme, „wäre es nicht schade um ihn. Wir haben gehofft, jemand hätte uns die Drecksarbeit abgenommen und ihn aus dem Verkehr gezogen.“
    „Er war ein Bluttrinker.“ Das war eine Feststellung, keine Wertung. Er war nie mit Marco aneinandergeraten. Wenn solche wie Marco der Sucht verfielen, war das nicht sein Problem. Blut wirkte auf ihre Art wie eine starke Droge und war ein Weg ohne Wiederkehr. Er selbst hatte nie das Bedürfnis verspürt, sich dem Rausch zu ergeben. Oft genug hatte er gesehen, wie die Sucht gute Männer in Bestien verwandelte. Menschen verwandelte es in etwas noch Schlimmeres. Aber das war ein dunkles Kapitel seiner Erinnerung, an dem er nicht rühren mochte.
    „Marco war ein umsichtiger Bastard. Zumindest hat er keine Spur aus Leichen hinter sich hergeschleift. Er gab der Garde keinen Anlass, ihn aus dem Verkehr zu ziehen.“
    „Woher weißt du, dass er den mysteriösen Entführern zum Opfer gefallen ist?“
    „Wir wissen es nicht sicher. Aber Marco war der Erste von vielen. Seitdem verschwinden jede Woche zwei oder drei vom Blut.“ Katherina fuhr sich durchs Haar. Plötzlich schimmerte ihr wahres Alter in den smaragdgrünen Augen. „Wir können das nicht hinnehmen. Jeder Mann, den ich entbehren

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