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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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wurde, dass die Firma zahlungsunfähig war, dachten wir, VORTEC müsste schließen und wir verlieren alle unseren Job. Dann stiegen die neuen Geldgeber ein und alles wendete sich zum Guten.“ Sie wand ihr eine Manschette um den Arm.
    „Und wer sind diese neuen Geldgeber?“
    Im gleichen Moment erkannte Violet, dass sie einen Fehler gemacht hatte.
    „Ich weiß nicht. Investoren eben.“ Das Gesicht der Assistentin verschloss sich.
    Schweigend setzte sie das Stethoskop auf Violets Arm. „120 zu 80. Herzlichen Glückwunsch. Ihr Blutdruck liegt im Optimalbereich.“
    „Aber jetzt geht es VORTEC ja richtig gut“, versuchte Violet das Gespräch wieder aufzunehmen. „Man liest nur noch Erfolgsmeldungen in der Presse.“
    „Ja, das ist wahr.“ Die Assistentin lächelte zaghaft und stellte ein Tablett mit Röhrchen, Spritzen und verschiedenen anderen Utensilien neben Violet ab. „Ich nehme Ihnen jetzt Blut ab. Möchten Sie sich dafür lieber hinlegen?“
    „Ich bleibe sitzen, kein Problem.“ Violet sah zu, wie die Frau ein frisches Paar Plastikhandschuhe überstreifte. „Ich finde es so aufregend, dass Ihr neues Krebsmedikament bald auf den Markt kommt. Stimmt es, dass Sie Krebs damit heilen können? Also nicht nur verlangsamen, sondem wirklich heilen? Einfach durch das Schlucken von Tabletten?“
    „Ich nehme es an, ja.“ Das Lächeln der Assistentin verkrampfte sich ein wenig. „Ich habe nicht an den Testserien mitgearbeitet, aber alle sind euphorisch. Die Erfolgsquote ist sehr hoch. Wie Sie vielleicht wissen, werden wir in Kürze die vorläufige Zulassung für Sangrin erhalten.“
    „Das ist wundervoll! Sie werden der Welt ein großes Geschenk machen.“
    „Das hoffe ich, ja.“ Die Assistentin zog den Stauschlauch an Violets Arm fest und tupfte ihre Armbeuge mit einem alkoholgetränkten Wattebausch ab. „Das hoffen wir alle.“
    Violet fragte sich, warum sie das Wort hoffen so merkwürdig betonte. Aus der Assistentin war keine weitere Information herauszubekommen. Die Frau füllte stoisch die Röhrchen mit Violets Blut, befragte sie zur Häufigkeit und den Symptomen ihrer Migräneanfälle und schrieb alles sorgfältig in ein Formblatt. Sie plauderte über Nichtigkeiten und gab vor, nur das über Sangrin zu wissen, was auch in den Pressemitteilungen stand. Nach kaum zwanzig Minuten waren sie fertig.
    Die Assistentin bat Violet, sich an der Rezeption die Unterlagen für die Testreihe aushändigen zu lassen und ihre Termine für die Zwischenuntersuchungen zu vereinbaren. Violet verabschiedete sich, doch statt in den Warteraum zurückzukehren, verbarrikadierte sie sich in der Damentoilette und ließ sich gegen die Wand sinken.
    „Hast du mitgehört?“, fragte sie mit gedämpfter Stimme.
    „Ich besorge mir gerade die Namen der mysteriösen Investoren“, gab Marshall zurück.
    Sie drückte an der winzigen Kapsel in ihrem Ohr herum, um ihn besser verstehen zu können. „Ich würde gern einen Blick in ihre Patientenlisten werfen. Der einzige Computer, an den ich herankomme, steht unten am Empfang. Aber jemand müsste die Rezeptionistin ablenken.“
    „Jemand? Du meinst, jemand wie ich?“
    „Sie heißt Mara und sieht aus wie Miss Elfenbeinküste.“
    Etwas raschelte in der Leitung, dann ein gedämpfter Knall, so als sei ein Teller auf Steinfliesen zerbrochen.
    „Marshall?“
    Ein Fluch drang undeutlich durch die Leitung.
    „Alles okay bei dir?“
    „Wie viel Dollar darf ich für Blumen ausgeben, Schatz?“
    „Blumen?“
    „Ich habe eine Idee.“
    Es dauerte fast zwei Stunden, bis sich Marshall wieder meldete. Violet hatte in der Zwischenzeit den Papierkram erledigt und es sich dann auf einem der Ledersofas bequem gemacht. Die Schwester brachte ihr den dritten Kaffee und machte gutmütige Witze über ihren Verlobten, der sie hier hängen ließ, statt sie abzuholen, wie er versprochen hatte.
    „Bist du bereit?“, knisterte Marshall in ihrem Ohr.
    Sie legte die Zeitschrift zurück auf das Tischchen, stand auf und winkte der Schwester einen Abschiedsgruß zu.
    Als sie in der Lobby den Fahrstuhl verließ, sah sie, wie sich etwas Riesiges, Schwankendes vor die Eingangstüren schob. Dann betrat Marshall die Halle und hielt auf den Empfang zu. Abwartend blieb Violet neben dem Aufzug stehen.
    „Sind Sie Mara?“ Er strahlte die Rezeptionistin an. Seine Zähne leuchteten schneeweiß. Er hatte seinen Zopf gelöst, sodass sein Haar um seine Schultern spielte. Die dunklen Strähnen schimmerten wie in einer

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