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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Wasser schwebten.
    „Wo lang?“, fragte Gabriel.
    Sie sicherte ihre Pistole und schob sie zurück in das Schulterholster, dann zog sie die Skizze aus der Tasche. „Nach rechts“, sagte sie. „Die andere Seite ist eine Sackgasse.“
    Sie stiegen auf die Gitterroste, um nicht im knöcheltiefen Wasser waten zu müssen und gingen den Korridor hinunter. Die merkwürdigen Geräusche blieben hinter ihnen zurück, dafür wurde das Rauschen lauter. Violet zuckte zusammen, als ein Wassertropfen in ihrem Nacken zerschellte. Der Geruch veränderte sich, je tiefer sie in die Katakomben eindrangen. Es roch nicht mehr so chemisch, doch eine unangenehm süßliche Note hing nun in der Luft, wie verfaulendes Gemüse.
    „Was ist das hier für ein Teil der Kanäle?“, fragte Keith.
    Sie stoppten vor einer Stelle, an der Teile des Gewölbes herabgebrochen waren und den Durchgang versperrten.
    „Wir stehen in einem toten Arm des ursprünglichen Abwassersystems“, sagte Violet. „Wurde in den Sechzigern wegen Einsturzgefahrgeschlossen. In den Karten der Stadt taucht er nicht mehr auf.“
    Ein kühler Lufthauch streifte ihre Wange und trug mehr von dem Fäulnisgeruch mit. Sie leuchtete den Abhang hinauf und entdeckte eine Betonwand, ein Stück hinter dem Schutthaufen.
    „Wartet hier, ich sehe mir das an.“
    Gabriel stieß sein Schwert zurück in die Scheide und überkletterte die Steintrümmer. Ohne Mühe bahnte er sich einen Weg über die ineinander verkeilten Mauerstücke. Ihr Taschenlampenstrahl folgte ihm und sie beobachtete nicht ohne Faszination, wie sicher er seine Füße setzte, wie leicht er sich an den Vorsprüngen emporzog. Schwer vorstellbar, dass er vor weniger als vierundzwanzig Stunden dem Tode nahe gewesen war.
    Schließlich erreichte er die Spitze des Schutthaufens und verschwand auf der anderen Seite. Sie hörte Steine poltern, dann senkte sich Stille herab. Kurz darauf begann er lauthals zu fluchen, während zugleich ein vielstimmiges Fiepen einsetzte, das Violet durch Mark und Beinging.
    „Brauchst du Hilfe?“, brüllte Keith.
    „Nein!“, hallte die Antwort zurück. „Bleibt, wo ihr seid!“
    Einen Augenblick später erfasste Violet eine Bewegung zwischen den zerbrochenen Steinen, dann schoss etwas so dicht an ihr vorbei, dass sie instinktiv zurückschreckte und dabei neben den Rost trat. Sie konnte ihren Sturz gerade so auffangen, verlor jedoch die Taschenlampe und riss sich eine Handfläche auf. Ihre Pistole schrammte über die Gitter. Wasserspritzer trafen sie an der Wange, als etwas neben ihr in die Kloake platschte. Ratten? Der Strahl der Taschenlampe streifte einen Teil der Schutthalde und verlor sich im Dunkel. Das Tier war so groß gewesen wie eine Katze. Mehr Ratten jagten die Halde herunter und stürzten sich in die schwarze Flut.
    Sie tastete nach der Taschenlampe und richtete sich mühsam auf. „Was war das denn?“, fragte sie keuchend.
    Keith zuckte mit den Schultern.
    „Gabriel?“, rief sie. „Was ist da los?“
    „Du warst mal bei den Cops, oder?“, hallte seine Stimme zurück. „Bist du an den Anblick von Leichen gewöhnt?“
    „Warum?“
    „Weil ich ...“ Mit einem Fluch brach er ab. Ein dünnes Kreischen durchschnitt das Dunkel, ein Fauchen, dann Ruhe. Und wieder Gabriels Stimme. „Hast du einen stabilen Magen?“
    Seine Frage erzeugte ein flaues Gefühl in ihrem Bauch. Mit grausiger Klarheit wurde ihr der Verwesungsgeruch bewusst, der die ganze Zeit schon in der Luft hing, diese widerliche Süße. Aber es half ja nichts. „Okay, bin gleich bei dir.“
    Sie stieß ihre Pistole ins Holster und sprang hinab in die stinkende Brühe. Es war nicht einfach, einhändig die Schuttlawine hinaufzuklettern und dabei die Taschenlampe festzuhalten. Vor einem mannshohen Block schob sie das Ding schließlich in ihren Gürtel und zog sich beidhändig nach oben. Nicht ganz so mühelos, wie sie das bei Gabriel gesehen hatte. Der Weg hinunter auf der anderen Seite war leichter. Sie fand Gabriel mit gezücktem Schwert. Er sah auf, als der Lichtkegel ihrer Lampe ihn traf. Ein grimmiger Zug lag um seine Mundwinkel. Violet ließ den Strahl tiefer wandern, über seine bis zu den Knien durchweichten Hosen, die knöchelhohen Schnürstiefel, den Boden aus grobem Schotter, auf dem größere und kleinere Pfützen glänzten. Ein kleiner Tierkadaver lag direkt neben seinen Füßen. Zwei weitere ein Stück entfernt. Der Gestank war überwältigend, doch er ging nicht von den toten Ratten aus.
    Zuerst

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