Engelskraut
hatte sogar den richtigen Tonfall für diese Nachricht gefunden.
Die Frau hielt in ihrer Bewegung inne, dann drehte sie langsam den Kopf und versuchte zu lächeln. Erst schien sie nicht zu verstehen. Als sich das Verstehen in ihr Gesicht schlich, veränderten sich ihre Züge. Sie wurde blass.
»Sagen Sie mir, was passiert ist«, forderte sie tonlos. Das rechte Augenlid begann zu zucken.
»Er wurde tot im Paradiesgarten neben der Kastorkirche aufgefunden. Das Gelände ist eingezäunt und gehört zur Bundesgartenschau.« Franca beobachtete die Regungen ihres Gegenübers, während sie sprach. Ihre Mimik ließ sich nicht recht deuten. Franca konnte nicht erkennen, ob sie Frau Klaussner etwas Neues oder etwas Bekanntes berichtete.
»Ihr Mann trug eine Dauerkarte für die BUGA bei sich«, fuhr Hinterhuber in sanftem Tonfall fort.
Frau Klaussner blickte von einem zum anderen. »Er liebt Blumen und das alles«, sagte sie mit fester Stimme. »Er hat sich auf die BUGA gefreut. Er …« Sie hielt inne, drückte den bis zum Filter gerauchten Stummel im Aschenbecher aus und wollte mit fahrigen Bewegungen eine neue Zigarette aus der Schachtel angeln, überlegte es sich aber anders und legte die Packung zurück auf den Glastisch. »… ich verstehe das nicht. Woran ist er denn gestorben?«
»Das wissen wir noch nicht. Wir haben gerade erst mit den Ermittlungen begonnen.«
»Was bedeutet das?«
»Ihr Mann lag inmitten eines zerstörten Blumenbeetes«, begann Franca zu erklären.
»Hatte er einen Herzinfarkt?«, fiel ihr Frau Klaussner ins Wort.
»Bis jetzt können wir noch nichts sagen. Das werden erst die gerichtsmedizinischen Untersuchungen ergeben. Jedenfalls hat er keine sichtbaren Verletzungen.«
»Sie schneiden ihn also auf.«
Ihre Kommentare waren nun völlig emotionslos, um nicht zu sagen kalt. Plötzlich begann sie hemmungslos zu weinen.
Franca legte sanft die Hand auf ihren Arm. »Frau Klaussner, halten Sie es für möglich, dass Ihr Mann Selbstmord begangen hat?«, fragte sie leise.
Die Angesprochene riss die Augen auf und starrte die Polizistin mit offenem Mund an. Schnappte nach Luft. Dann begann sie zu lachen. Es war ein irres Lachen, das nicht mehr aufhören wollte. Irgendwann hatte sie keine Kraft mehr. Sie verstummte, fiel in sich zusammen und schlug die Hände vor den Kopf.
Franca zwang sich, ruhig und gelassen zu bleiben. »Frau Klaussner, gleich ist jemand bei Ihnen, der Ihnen helfen wird.«
»Und, was denkst du?«, fragte Franca, als sie wieder neben Hinterhuber im Auto saß. Sie selbst wusste nicht so recht, was sie denken sollte. Das Verhalten von Frau Klaussner hatte sie irritiert. Natürlich wusste sie, dass Menschen auf die unterschiedlichste Weise auf die Todesnachricht naher Angehöriger reagierten. Aber das Gefühl, dass dieser emotionale Ausbruch nicht echt war, ließ sie nicht los. Allzu oft hatte sie erlebt, dass Menschen gern ihre wahren Emotionen hinter einer Maske zu verstecken versuchten.
»Glaubst du, sie hat was damit zu tun?«
»Sie war reichlich nervös. Die Todesnachricht hat sie schockiert. Sie war durcheinander und hat sich merkwürdig verhalten, ja.«
»Keine Schauspielerin?« Die Tatsache, dass Franca im Laufe ihrer langen Berufsjahre mit zu vielen Lügen konfrontiert worden war, hatte sie vorsichtig gemacht. Dennoch wollte sie niemandem unrecht tun. Auch deswegen war ihr Hinterhubers Meinung wichtig.
»Wenn, dann eine ziemlich gute«, sagte er.
»Wir sollten sie im Auge behalten.«
15
Hans Kleinkauf ließ heißes Wasser über Teller und Besteck laufen und trocknete das wenige benutzte Geschirr ab. Er hängte das Küchentuch an den Haken und sinnierte über das, was er vorhin im Nachbarhaus beobachtet hatte. Ein Mann und eine Frau hatten bei Klaussners geklingelt. Sie mussten eine ganze Weile warten, bevor die Tür aufging. Offenbar wollte Stephanie Klaussner die beiden nicht zur Tür hineinlassen. Das kam ihm ein wenig ungewöhnlich vor.
Er konnte nicht recht sagen, warum, allerdings hatte er das merkwürdige Gefühl, dass es sich bei den beiden um Polizisten handelte. Sie hatten sich ziemlich lang im Haus aufgehalten. Inzwischen waren sie wieder gegangen, aber noch immer stand ein fremdes Auto im Hof. Jetzt kam das Kind nach Hause.
Am gestrigen Sonntag hatte er sich zur Kaffeezeit bei seinen Nachbarn eingefunden, doch als er vor deren Tür stand und gerade den Klingelknopf betätigen wollte, war er unfreiwilliger Zeuge einer lautstarken Auseinandersetzung
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