Engelskraut
etwas unsicher von einem zum anderen.
»Wir sind von der Kripo. Wir haben ein paar Fragen Ihren Chef betreffend. Herrn Klaussner.«
Die Auszubildende blinzelte. »Der müsste eigentlich schon längst da sein. Normalerweise kommt er so gegen 10 Uhr in die Apotheke«, sagte sie. »Aber momentan ist es ziemlich ruhig, da lässt er sich schon mal Zeit. Was haben Sie für Fragen?« Ihr Blick war offen und interessiert.
»Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass Ihr Chef verstorben ist.«
»Verstorben?«, kam es verständnislos zurück. »Hatte er einen Unfall?«
»Die genaue Todesursache kennen wir noch nicht. Er wurde heute Morgen innerhalb des BUGA-Geländes aufgefunden.«
»Ja, aber …«
Die Tür wurde aufgeschoben. Frau Beckers ohnehin schon blasse Gesichtsfarbe hatte sich noch um ein paar Nuancen verändert. »Ich habe gerade mitgehört, was Sie gesagt haben. Entschuldigen Sie, das ist ja entsetzlich. Herr Klaussner ist tot?«
Franca nickte. »Wir wissen leider noch nichts Genaues. Vielleicht können Sie uns ja weiterhelfen. Wann haben Sie Herrn Klaussner zuletzt gesehen?«
Frau Becker runzelte die Stirn. »Am Samstag. Die Apotheke schließt um 14.30 Uhr. Da bin ich gegangen.«
»Ich auch«, bekräftigte Sandra Haffmann.
»Und Ihr Chef?«
»Das können wir nicht genau sagen. Normalerweise bleibt er noch eine Weile, um Dinge aufzuarbeiten, die liegen geblieben sind.«
»Dann war das das letzte Mal.« Sandra Haffmann hielt sich die Hand vor den Mund.
»Wissen Sie, ob er irgendwelche Probleme hatte?«
Frau Beckers Blick suchte den der jungen Auszubildenden. Die schüttelte den Kopf. Daraufhin hob sie die Schultern. »Also über Privates haben wir so gut wie nie gesprochen.«
»Hat er Sie öfter mit der Auszubildenden allein gelassen?«, fragte Hinterhuber.
»Er weiß, dass er sich auf uns verlassen kann«, sagte Frau Becker bestimmt. »Außerdem hilft uns normalerweise eine Kollegin, die ist allerdings krankgeschrieben.« Sie biss sich auf die Lippen. »Also, ich meine …«
»Wie ist ihr Name?«
»Ariane Bender. Sie ist PTA. Pharmazeutisch-technische Assistentin.«
»Haben Sie ihre Adresse und Telefonnummer?«
»Einen Moment.« Sandra Haffmann ging an einen Spind, der sich im Durchgang befand, und nahm aus ihrer Handtasche ein Notizbuch. Sie schrieb die Adresse auf einen Zettel und reichte ihn Hinterhuber.
»Danke.« Er studierte ihn kurz und steckte ihn ein.
Franca betrachtete das Warensortiment, das ordentlich aufgestapelt und sortiert in den Regalen lag. In einem Ständer war eine Reihe Flaschen angeordnet. Darunter auch Rotbäckchen, ein Saft, den sie in ihrer Kindheit getrunken hatte. Unwillkürlich musste sie an Ludmilla denken.
»War Ihr Chef beliebt?«, fragte Hinterhuber.
Wieder tauschten Frau Becker und die Auszubildende Blicke. Da war ein kurzes Aufflackern in beider Augen.
»Ja«, antwortete Sandra Haffmann schlicht.
»Normal«, erwiderte Frau Becker.
»Was heißt normal?«
Man hörte, wie die Tür im Verkaufsraum aufging.
»Entschuldigung, ich bin gleich wieder bei Ihnen.« Diesmal ließ Frau Becker die Tür zum Verkaufsraum offen. Ein ziemlich ungepflegt aussehender junger Mann stand vor der Theke. »Ist der Chef da?«, nuschelte er.
»Tut mir leid«, entgegnete Frau Becker, »aber vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen?« Sie war sehr um Liebenswürdigkeit bemüht. Man merkte es ihr an.
»Ich brauch mein Methadon.«
»Sie wissen, dass Sie dafür ein Rezept vorlegen müssen.«
»Der Chef hat’s mir auch schon mal so gegeben.«
»Das ist gegen die Vorschriften. Ohne Rezept darf ich es Ihnen nicht geben.«
»Aber wenn ich es Ihnen doch sage. Mein Doktor ist in Urlaub.« Der Ton klang ungehalten. »Ich komm im Moment an kein Rezept. Und ich brauch das Zeug. Verdammt.«
»Es tut mir leid. Ich kann Ihnen da nicht weiterhelfen.«
»Einem Diabetiker würden Sie doch auch Insulin geben, wenn sein Arzt nicht da ist, oder?« Die Stimme des Mannes nahm einen aggressiven Ton an.
»Methadon ist eine Ersatzdroge, für die Sie kein einfaches Rezept brauchen, sondern ein BtM-Rezept. Das wird strengstens kontrolliert. Wir machen uns strafbar, wenn wir uns nicht an die Vorschriften halten. Insofern kann ich Ihnen da wirklich nicht weiterhelfen.«
»Was bildest du dir eigentlich ein, du blöde Fotze?«, stieß der Mann hervor. »Denkst wohl, mit deinem weißen Kittel bist du was Besseres?«
Franca und Hinterhuber beobachteten die Szene durch die offene Bürotür. Frau Becker
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