Engelskraut
was es nicht gibt«, erwiderte sie lakonisch.
Franca dachte an den Suizid vor ein paar Tagen. Neben der Leiche hatte ebenfalls eine Kerze gebrannt, allerdings eine Haushaltskerze und kein Grablicht. Außerdem war der Mann im heimischen Bett gestorben. Allerdings war, genau wie hier, eine Fremdeinwirkung nicht erkennbar gewesen.
Die Obduktion hatte ergeben, dass der Suizident sich mit einem pflanzlichen Gift umgebracht hatte. In der Tasse, die auf der Spüle stand, waren Spuren davon gefunden worden, eine offenbar selbst gebraute Mixtur, nach deren Genuss er sich auf das Bett gelegt und in aller Ruhe auf den Tod gewartet hatte. Ein erhöhter Serotoninwert, der bei der Rückenmarkspunktion festgestellt wurde, hatte die Vermutung bekräftigt, dass es sich um Selbstmord gehandelt hatte. Dennoch waren die beiden Fälle sicher nicht miteinander vergleichbar.
»Keine Sorge, das kriegen wir raus.« Irene Seiler strich sich das ergraute Haar hinter die Ohren. Franca überlegte, wie alt sie wohl war. Höchstens ein paar Jahre älter als sie selbst. »Spekulieren nützt nichts. Sie müssen sich halt noch ein bisschen gedulden, ich weiß ja, wie schwer Ihnen das fällt.« Die Ärztin lächelte.
Der Mann, dessen Alter sie auf Mitte bis Ende 40 schätzte, war am frühen Morgen von einem der Gärtner entdeckt worden, die vor Öffnung der Bundesgartenschau durch das Gelände gingen, um zu prüfen, ob alles in Ordnung war.
»Diese zerstörte Erde«, Hinterhuber zeichnete mit dem Finger ein Rund in die Luft über dem Toten. »Das scheint mir solch ein Giftkreis zu sein, wie sie Inka Riese kürzlich erwähnt hat.«
Franca nickte. »Da wurden jedes Mal Totalherbizide auf die Beete gekippt. Das sollte hier unbedingt untersucht werden. Womöglich gibt es einen Zusammenhang.«
Irene Seiler hob eine Hand des Toten hoch. »Er hat Erdreste unter den Fingernägeln. Seine Hände sehen aber nicht aus, als wühle er ständig im Boden herum.«
Franca rieb sich die Stirn. Sie hatte schlecht geschlafen, wie so oft in letzter Zeit, und fühlte sich schrecklich müde.
Irene Seiler hatte inzwischen die äußere Totenschau beendet und streifte gerade die Latexhandschuhe ab.
»Es gibt wirklich keine Fremdanzeichen?«, fragte Franca.
Die Rechtsmedizinerin schüttelte den Kopf. »Keine.«
Nun war der Erkennungsdienst dabei, die Leiche mit Folie abzukleben, um tatrelevante Mikrospuren und möglicherweise fremde DNA zu sichern.
»Was ist mit seiner Kleidung?«
»Ich hab da was.« Frankenstein in seinem weißen Schutzanzug trat zu ihnen. In der Hand hielt er einen größeren Klarsichtbeutel, durch den blauer Stoff hindurchschimmerte. »Ich denke, das gehört zu ihm. Eine Jeans. Haben wir dort hinter der Mauer mit den Grabsteinen gefunden. Nicht grade aus dem Billigladen.«
Frank Stein, den alle im Präsidium Frankenstein nannten, war ein gewissenhafter und netter Kollege von der Spurensicherung. Sein breites Steinbeißergrinsen nach einer kompletten Zahnsanierung irritierte Franca noch immer ein wenig.
»Sind irgendwelche Papiere dabei?«
»Raubmord war’s nicht. Brieftasche, Kreditkarten. Alles da. Auch eine Dauerkarte für die BUGA.«
»Und, wie heißt er?«
»Jürgen Klaussner.«
Nachdenklich betrachtete Franca das Foto auf der BUGA-Karte. Lebendig war Jürgen Klaussner ein noch schönerer Mann gewesen als im Tode. Ein Mann, den sie, wäre er ihr jemals begegnet, als Traummann bezeichnet hätte. Natürlich nur vom Äußeren her. Etwas anderes konnte sie nicht beurteilen.
Die Leiche wurde abtransportiert. Langsam löste sich die Gruppe der Journalisten und Neugierigen auf.
»Wir beide erledigen erst mal unsere unangenehme Pflicht«, sagte Hinterhuber in ihre Gedanken hinein. »Fährst du oder fahre ich?«
Strafe muss sein. Strafe muss immer sein.
Ich stehe am Fenster, Tränen rinnen mir die Wangen hinunter. Im Hintergrund Evanescence. Die Töne dringen geradewegs durch meinen Kopf in mein Hirn, verwandeln sich dort in herumwirbelnde, stechend grellbunte Bilder. Höllenbilder, feuerdurchlodert und Angst einflößend.
In meinem Kopf ist ein furchtbares Durcheinander, das sich kaum bezähmen lässt.
Menschen ziehen vorbei, drehen sich im Kreis. Zeigen mit Fingern auf mich. Blackangel, den ich nie gesehen habe. Eric, mein lieber Bruder Eric, für den ich nichts tun konnte. Dazwischen schiebt sich Harald, der im Rhein ertrank. Und nun auch noch Tom. Mein Geliebter.
Ich spüre den Hass, wie er sich
Weitere Kostenlose Bücher