Engelskraut
rühmliche Ausnahme.
»Ja, die ist da. Kleinen Moment, bitte.« Sie hielt Franca den Hörer hin. »Ludmilla Kurczecky. Die hat heute schon mal angerufen. Ich hatte dir einen Zettel auf den Schreibtisch gelegt.«
»Ich weiß.«
Franca nahm den Hörer entgegen. Sie hatte bisher keine Lust gehabt, nach dem Vorfall vom gestrigen Abend zurückzurufen.
»Franca? Endlich erreiche ich dich. Ich möchte mich bei dir entschuldigen. Manchmal bin ich ein furchtbar taktloser Mensch, der von einem Fettnäpfchen ins andere tritt. Es tut mir leid. Ich meine, wir hatten einen schönen Abend und ich hab alles verdorben …« Ludmilla brach ab.
Franca hatte den Telefonhörer zwischen Schulter und Ohr geklemmt und sich auf ihrem Stuhl zurückgelehnt. Mit einem Mal fand sie das alles reichlich albern. Zwei nicht mehr ganz taufrische Frauen gingen in den ›Affenclub‹, um sich über einen Mann namens Ernst in die Haare zu kriegen. Aus dem Alter sollte man inzwischen längst raus sein, in dem man diesen Dingen so viel Bedeutung beimaß.
»Schon gut«, sagte sie versöhnlich.
»Ich meine, Ernst ist wirklich ein ganz Netter und vielleicht hätte sich zwischen euch beiden ja was entwickelt. Und dann bin ich blöde Kuh dazwischengegangen und hab alles vermasselt. Es tut mir wirklich leid.«
»Na, ob das die große Liebe geworden wäre, ist fraglich, so erschrocken, wie der war, als du ihm eröffnet hast, dass ich ein Bulle bin.« Sie schmunzelte, als sie daran dachte, wie im Nu die lockere Atmosphäre dahin gewesen war. »Ich kann meinen Beruf nun mal nicht verleugnen. Damit muss ein Mann klarkommen.«
»Können wir uns demnächst sehen? Vielleicht bei dir?«
Offensichtlich tat Ludmilla ihr Benehmen wirklich leid. Franca wusste, wie viel dazu gehörte, sich zu entschuldigen. Sie dachte daran, dass sie sich früher nie bei Ludmilla entschuldigt hatte. Obwohl sie allen Grund dazu gehabt hätte. Da das latent vorhandene schlechte Gewissen Ludmilla gegenüber wie stets an ihr nagte, fühlte sie sich genötigt, eine sofortige Einladung auszusprechen.
»Du kannst ja bald mal vorbeikommen. Auf ein Glas Wein oder so. Aber jetzt hab ich was Dringendes zu erledigen.«
»Tut mir leid, wenn ich dich gestört habe.«
»Schon gut.« Franca legte den Hörer auf. »Clarissa«, sagte sie in forderndem Tonfall. Die Angesprochene drehte erstaunt den Kopf in Francas Richtung.
»Woher weißt du, dass Ariane Bender in der Psychiatrie war?«
Die Praktikantin blies die Backen auf, hob die Schultern. »Recherche eben.«
»Genauer, bitte.« Franca sah sie abwartend an.
»Ich kenne jemand, der Ariane kennt, und die hat mir das gesteckt.« Die Praktikantin senkte den Blick. »Ich hab natürlich nicht gesagt, warum mich das interessiert. War ein reiner Informationsaustausch.«
»Darüber müssen wir später noch mal ausführlicher reden.« Franca stand vom Schreibtisch auf.
Frankenstein saß hinter einem Mikroskop und tat so, als ob er sie nicht bemerken würde.
»Hallo«, grüßte sie freundlich.
Er brummte irgendwas.
»Komm, sei nicht länger beleidigt«, versuchte sie, einen schmeichelnden Ton anzuschlagen. »Die Kleine und ich hatten Ariane Bender bereits im Visier. Die Bender hat uns mitgeteilt, dass sie beschuldigt wurde, von ihrem Handy aus zweifelhafte SMS an Jürgen Klaussner geschickt zu haben. Doch sie schwört Stein und Bein, dass genau sie das nicht getan hat.«
»Wie war das mit dem viel zitierten Teamgeist? Eine klitzekleine Information hätte mir eine Menge Arbeit erspart. Aber nein. Franca Mazzari kocht ja ihr eigenes Süppchen.«
»Tut mir echt leid«, räumte sie zerknirscht ein. »Ich gelobe Besserung.«
Er hob den Kopf. Sein Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass er die Entschuldigung nicht so schnell annehmen wollte.
Sie kannte Frankenstein seit etlichen Jahren. Sie wusste, wo sie ihn packen musste, um ihn umzustimmen, nämlich da, wo er mit Kompetenz glänzen konnte. »Sag mal, ist es möglich, dass das Handy von Ariane Bender manipuliert war? Klaussner war ihr Arbeitgeber. Er hat sie bezichtigt, ihr diese SMS geschickt zu haben. Auch auf andere Weise habe sie ihn angeblich attackiert. Glatt gelogen, sagt sie. Niemals habe sie was Derartiges getan, das habe sie auch ihm gegenüber beteuert. Geglaubt habe er ihr das jedoch nicht.«
»Hat eure Kleine nicht gesagt, die Dame war schon mal in der Psychiatrie? Du weißt, dass jeder versucht, sich irgendwie rauszureden, wenn ihm was angehängt wird. Menschen sind Lügner,
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