Engelskraut
Inhaber ist ein Mann namens Alfred Mendiges.«
»Schade«, sagte Clarissa. »Ich hatte schon gedacht, wir wären auf der richtigen Spur.«
»Tja, manche Dinge sind nicht so einfach, wie sie aussehen.«
»Wo ist das?«, wollte Hinterhuber wissen.
»Emser Straße in Pfaffendorf.«
»Na, dann nichts wie hin.«
26
Mit einer Hacke in der Hand schlenderte Hans Kleinkauf durch seinen Garten, um aufkeimendes Wildkraut zwischen den Nutzpflanzen zu entfernen – eine lästige Begleiterscheinung der ungestümen Natur im Frühling. Wenn er da nicht hinterher war, nahm das Unkraut schnell überhand.
Am heutigen Tag war es ziemlich windig, das Wetter wechselhaft. Die Sonne kämpfte sich immer wieder zwischen grauen Wolken hindurch, dann war der Himmel für eine Weile strahlend blau. Allerdings hielt das nie lange an. Büsche und Bäume trugen inzwischen viel kräftiges, frisches Grün, das golden leuchtete, wenn die Sonne darauf schien.
Die Arbeit fiel ihm von Jahr zu Jahr schwerer. Im Grunde war dieses Grundstück zu groß für einen einzelnen Mann. Aber verkaufen und in eine kleine Wohnung ziehen, womöglich ohne Garten, das konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen.
Er wandte den Kopf und sah hinüber zum Nachbargrundstück, aber dort war niemand zu sehen. Das Gras stand ziemlich hoch. Kurz dachte er darüber nach, ob er Stephanie Klaussner anbieten sollte, den Rasen zu mähen. Jedoch wollte er nicht aufdringlich sein.
Er hatte eigentlich gehofft, dass sie auf sein Angebot von neulich in irgendeiner Weise eingehen würde, doch sie hatte sich nicht gemeldet. Wahrscheinlich war sie mit anderen Dingen beschäftigt. Er wusste schließlich, wie viele Laufereien eine Beerdigung mit sich brachte. Sich mit dem Schrecklichen abzufinden, brauchte seine Zeit.
Offensichtlich war noch immer nicht geklärt, wie ihr Mann ums Leben gekommen war. In der Zeitung hatte bisher nichts über ein mögliches Motiv gestanden. Nur, dass alles etwas mysteriös war.
Er versuchte, sich das Gesicht des Nachbarn zu vergegenwärtigen, aber da war nichts außer einem schlanken Mann von großer Gestalt und mit dunklen Haaren. Ein paar Mal hatte Hans Kleinkauf ihn im Garten gesehen und freundlich gegrüßt. Und nun gab es ihn nicht mehr. Merkwürdig war diese Angelegenheit mit dem Leben und dem Tod schon, dachte er. Und dann kam ihm in den Sinn, dass sein eigener Zeitrahmen, innerhalb dessen er sich am Leben erfreuen konnte, immer kürzer wurde.
In diesem Moment trat Stephanie Klaussner auf die Terrasse. Sie hielt eine Gießkanne in der Hand und bewässerte die Pflanzenkübel.
»Hallo, Herr Kleinkauf!«, rief sie, offensichtlich erfreut, ihn zu sehen. »Wollen Sie einen Moment rüberkommen? Ich habe gerade einen Kaffee aufgesetzt.«
»Da sag ich nicht nein«, meinte er vergnügt. Schnell lief er ins Haus, wusch die Hände und zog seine Gartenkleidung aus, streifte ein sauberes Hemd und eine Hose über. Im Badspiegel überprüfte er sein Aussehen und rieb sich etwas Aftershave ins Gesicht. Kurz darauf stand er vor ihrer Tür.
Hübsch schaute sie wieder aus. Und so elegant. Ihre Augen strahlten, als sie ihn sah. »Das ist schön, dass Sie Zeit haben.« Sie lief voraus ins Wohnzimmer und wieder konnte er ihre erfreuliche Rückansicht bewundern.
Der Esstisch im Wohnzimmer war bereits für zwei Personen gedeckt. Ein Obstkuchen stand in der Mitte.
»Ich hab gebacken, das lenkt mich ein bisschen ab«, sagte sie und legte ihm ein Stück auf.
Das überraschte ihn. Er hätte nicht gedacht, dass sie selbst backte. Das machte sie irgendwie noch sympathischer und der Kuchen schmeckte genauso gut wie der von Ellie. Darum zögerte er keine Sekunde, ihr angesichts ihrer Backkünste ein Kompliment auszusprechen.
»Tja, da hat uns beide jetzt auf ähnliche Weise das Schicksal getroffen«, wagte er nach einer Weile, die Stille zu durchbrechen. Und im gleichen Moment bereute er diesen Ausspruch. Es war ja wohl ein Unterschied, ob der Partner an einer Krankheit gestorben war oder ob er gewaltsam aus dem Leben gerissen wurde.
»Sie vermissen Ihren Mann wohl sehr?«, fragte er vorsichtig.
»Wissen Sie, Herr Kleinkauf«, sie sah ihn direkt an, »mein Mann war in letzter Zeit sehr selten zu Hause. Jetzt ist er gar nicht mehr da. So groß ist der Unterschied nicht.« Sie starrte an ihm vorbei an die Wand. »Diese Tatsache ermöglicht mir, mein Leben noch mal neu zu gestalten. Neu zu beginnen. Positiv zu denken. Alles ganz anders zu machen. Ich meine, das
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