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Engelskraut

Engelskraut

Titel: Engelskraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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hatte sie alles in sich hineingefressen.
    Als Franca die vielen Narben auf ihren Armen gesehen hatte, war ihr plötzlich klar geworden, dass Milla ein zutiefst unglücklicher Mensch sein musste. Dass all die zur Schau getragene Fröhlichkeit und das Strahlende eine Maske war, die in dem Moment von ihr abfiel, wenn sie alleine war. Mit ihrem demonstrativen Lächeln wollte sie offenbar ihrem Umfeld beweisen, wie gut sie drauf war. Aber welche Anstrengung so etwas kostete!
    Wie so oft in letzter Zeit versuchte Franca, sich die Zeit damals zu vergegenwärtigen. Sie versuchte, ehrlich zu sein und ungeschönt die Erinnerungen zuzulassen. Franca war ein beliebtes Mädchen gewesen, es galt als Privileg, in ihren Freundeskreis aufgenommen zu werden. Ludmilla war dieser Zutritt in den eingeschworenen Kreis um Franca Mazzari verwehrt. Sie war allerdings nicht die einzige. Darüber hinaus gab es weitere Mädchen, die außen vor blieben. War das nicht immer so mit der Gruppenbildung? Man konnte nicht alle mögen. Eine Auswahl musste getroffen werden. Das war bei Erwachsenen so und das war bei Kindern nicht anders. Damals wie heute.
    Aber kein anderes Mädchen war so sehr beleidigt und ausgegrenzt worden wie Ludmilla, das musste Franca sich eingestehen. Sie hatte dies verdrängen wollen, weil alles schon so lange her war. Milla hatte ihr zu Recht Vorwürfe gemacht. Sie spürte den Schweiß in ihrem Nacken. Es gab nichts, was sie zu ihrer Verteidigung hätte vorbringen können, außer der Tatsache, dass sie damals ein gedankenloses, vielleicht auch ein wenig verwöhntes Kind war.
    Es gehörte zum Menschsein, dass man Fehler machte. Diese zuzugeben, bedeutete Größe. Noch mehr Größe allerdings würde sie haben, wenn sie ihre Fehler von damals nicht nur sich selbst, sondern auch Milla gegenüber eingestehen würde.
    Mit einem Mal fiel ihr Brigitte ein. Die kleine, lebhafte Brigitte mit den Rattenschwänzen. Franca erinnerte sich dunkel, dass Brigitte und Ludmilla miteinander befreundet waren. Zumindest für eine kurze Zeit hatten sie immer die Köpfe zusammengesteckt. Doch wo wohnte Brigitte?
    Kurz entschlossen rief Franca bei deren Eltern in Pfaffendorf an. Die Mutter gab ihr bereitwillig Auskunft über den Aufenthalt ihrer Tochter. Diese lebte mittlerweile in Köln und freute sich über den unerwarteten Anruf ihrer ehemaligen Schulkameradin. Doch als die Sprache auf die gemeinsame Klassenkameradin kam, wich ihre anfängliche Begeisterung eher Verhaltenheit.
    »Du warst doch mit ihr befreundet«, meinte Franca.
    »Nun ja. Befreundet ist zu viel gesagt. Du weißt doch, dass die niemand so richtig leiden konnte«, antwortete Brigitte.
    »Sie wohnt immer noch in Pfaffendorf. Vor Kurzem haben wir uns zufällig wiedergetroffen. Du erinnerst dich sicher, wie sie früher aussah? Mit abstehenden Ohren, dicker Brille und roten Haaren.«
    »Eine Schönheit war sie wahrhaftig nicht.« Brigitte kicherte.
    »Sie hat sich sehr verändert und sieht jetzt richtig toll aus. Nicht mehr wiedererkannt hätte ich sie, wenn sie mich nicht angesprochen hätte. Ich nehme an, das ist das Ergebnis von mehreren Operationen.«
    »Wenn’s geholfen hat. Aber warum fragst du eigentlich nach ihr?«
    »Sie scheint in großen Schwierigkeiten zu stecken«, antwortete Franca. »Aber sie will nicht mit mir darüber reden. Vielleicht hast du eine Ahnung, was mit ihr los ist?«
    »Ich hab überhaupt keinen Kontakt mehr mit ihr.« Brigitte antwortete zögerlich. Franca gewann immer mehr den Eindruck, dass ihr das Thema unangenehm war.
    »Weißt du, Ludmilla ist ein ganz merkwürdiger Mensch. Zumindest war sie das als Kind. Später nach der Schulzeit haben wir uns ein paar Mal wiedergetroffen, aber das ging nicht gut. Jetzt bin ich heilfroh, dass ich nichts mehr mit ihr zu tun habe.«
    »Was war denn?«, fragte Franca.
    »Ach, ihre ganze Art. Am Unangenehmsten ist mir im Gedächtnis, wie sie ständig versuchte, sich in den Mittelpunkt zu drängen. Mit der Wahrheit hat sie es dabei nicht allzu genau genommen. Was das betrifft, muss man bei ihr auf der Hut sein. Sie hat mich mehr als einmal angelogen, meistens, damit ich Mitleid mit ihr haben sollte. Aber das ist mir oft erst später klar geworden. Sie konnte einem vielleicht die Ohren volljammern! Manchmal hat sie Bosheiten verteilt, die ganz schön gesessen haben. Wie sie das mit ihrem religiösen Wahn vereinbaren konnte, ist mir schleierhaft. Wo sie doch andauernd in die Kirche gerannt ist, um zu ihrem Herrn Jesus zu

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