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Engelskraut

Engelskraut

Titel: Engelskraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Ich weiß schließlich, was ich gesehen habe.«
    Er riss die Augen auf. »Drehst du jetzt völlig durch?«
    Wie auf sein Stichwort hin fasste sie sich an den Kopf. Schon wieder dieser Schwindel. Sie hatte das Gefühl, alles um sie herum drehte sich. Sie ließ sich auf ihren Schreibtischstuhl fallen. »Kann ich mal einen Kaffee haben?« Sie schluckte. Da drängten sich ständig Bilder in ihren Kopf, die seltsam lebensecht aussahen, aber nie und nimmer real sein konnten. Sie verstand nicht, was mit ihr los war.
    Hinterhuber schenkte ihr eine Tasse ein. Gab einen Schuss Milch dazu. Rührte um. »Bitte.«
    Sie trank einen Schluck. »Das tut gut.« Als sie ihr Gesicht hob, traf sie seinen Blick. »Ich vergesse, was ich gesehen habe, und ich vergesse völlig, was ich mir dabei gedacht habe, okay?«
    Hinterhuber wollte etwas hinzufügen, überlegte es sich jedoch anders und nickte.
    »Ich kann es nicht länger verleugnen. Ich bin in den Wechseljahren und Frauen werden da offenbar manchmal etwas wunderlich. Mach dich also auf einiges gefasst.« Sie grinste schief.
    Er grinste zurück. »Na, da bin ich ja mal gespannt.«
    »Aber bitte, vermeide künftig solche zweideutigen Szenerien.«
    »Das waren keine …«, brauste er auf. Er vollendete den Satz nicht.
    »Du weißt schon, was ich meine.«
    Er brummte irgendwas Unverständliches.
    »Und wo ist sie jetzt hin?«
    »Wer?«
    »Na, Clarissa.«
    »Zur Schrottverwertungsstelle. Nach Ariane Benders Laptop suchen.«
    »Was verspricht sie sich denn davon? Die Nadel im Heuhaufen finden?«
    »Die ist zäh, die Kleine. Und sie weiß, wie man sich Dinge beschafft.«
    Franca sah ihn schräg an. »Das hab ich gemerkt.«
    »Nicht, was du wieder meinst.«
     
    »Ich hab ihn!« Freudestrahlend kam Clarissa ins Büro, unterm Arm einen in die Jahre gekommenen und reichlich ramponiert aussehenden Laptop. »Ariane Bender hat bei dem Mann einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Nachdem ich ihn ein bisschen gekitzelt hatte, konnte er sich genau erinnern, in welcher Ecke der Laptop lag. Den bring ich jetzt der Granate. Na, bin ich nicht gut?« Sie wirkte locker und völlig unschuldig.
    Franca kamen zum ersten Mal Zweifel. Sollte mich mein Wahrnehmungsvermögen getäuscht haben?, dachte sie. Aber ich hab doch selbst gesehen, wie die beiden wie ertappt auseinandergefahren sind.
    Neidlos musste sie der Kleinen zugestehen, dass sie wirklich erfolgreich arbeitete. Die würde es mal zu was bringen, wenn sie weiterhin so viel Engagement zeigte. Die Erfolgsleiter ganz hoch klettern. Die Polizei brauchte Frauen wie sie.

35
    Sie klingelte. Niemand öffnete. Nochmals drückte sie auf den Klingelknopf. Vielleicht war Milla im Garten. Franca ging um das Haus herum. Die Terrassentür stand offen.
    Milla lag auf der Couch im Wohnzimmer.
    »Da bist du ja«, kündigte sich Franca fröhlich an. »Ich wollte nur mal kurz Hallo sagen.«
    Milla reagierte nicht. Franca stutzte. »Milla? Milla, hörst du mich?«
    Die Freundin gab unverständliche Laute von sich. Sie verdrehte die Augen und lächelte verklärt. Ihre Pupillen waren riesig. Plötzlich begann sie zu keuchen, als ob sie von jemandem verfolgt würde. Sie ringelte sich zusammen wie ein Embryo, die Arme schützend um die Knie geschlungen. Schrie: »Nein, nein, ich will nicht! Nein!« Dann fiel sie erschöpft zusammen und versank in einen tiefen Schlaf.
    Franca zog sich einen Stuhl heran. Dabei bemerkte sie ein paar verstreut auf dem Boden liegende Karten mit Engelabbildungen, die offenbar zu einem Set gehörten, das geöffnet auf dem Wohnzimmertisch stand. Abwartend blieb sie neben Milla sitzen. Was sie hier sah, waren die Auswirkungen eines ausgewachsenen Rauschs. Ein Zustand, den sie schon öfter bei Junkies erlebt hatte. Aber Milla hatte auf sie nie den Eindruck einer Drogensüchtigen gemacht und sie meinte, einen Blick dafür zu haben. Sie sah um sich. Der einzige ungewöhnliche Gegenstand, den sie ausmachen konnte, war ein geöffnetes Cremetöpfchen ohne Aufschrift auf dem Wohnzimmertisch. Sie hob es unter die Nase und schnupperte daran. Es roch fremd. Ganz schwach meinte sie den Duft von Lavendel und Vanille auszumachen. Sie stellte das Töpfchen wieder auf den Tisch und musterte Milla, die ruhig dalag. Entschlossen streifte Franca die Ärmel von Millas T-Shirt hoch und suchte nach Einstichen. Aber sie fand keine. Was sie sah, beunruhigte sie dennoch. Millas Unterarme waren von vielen hellen Strichen überzogen, die kreuz und quer ein netzartiges Muster

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