Engelsleid (German Edition)
Inventar verbunden. B eim Anblick des Durc h einanders und der vielen dabei kaputtgegangenen Gege n stände kamen Laura die Tränen. Was hatte der Dieb denn g e glaubt zu finden, und warum hatte er deswegen diesen Mord b e gangen? Es war für Laura nach wie vor nicht zu begreifen, dass ihre Mutter wirklich tot war.
Mitten in ihren Aufräumarbeiten klingelte es an der Tür. Mis s trauisch blickte Laura durch den Türspion und erkannte die Nac h barin. Sie seufzte. Eigentlich wollte sie niemanden sehen, aber sie konnte nicht einfach so tun, als wäre sie nicht da. Bestimmt hatte Frau Soller beobachtet, dass Laura geblieben war, um aufzurä u men.
» Ach, mein Kind, das tut mir ja so leid … «
Die darauf folgende halbe Stunde drückte Frau Soller ihr tiefes Bedauern aus. Wie alt sie war, wusste Laura nicht, aber bestimmt ging die alte Dame schon auf die achtzig zu. Lauras Eltern hatten die Wohnung bezogen, als Laura eineinhalb Jahre alt gewesen war, daher konnte sie sich nicht selbst an diese Zeit erinnern, Frau Soller dafür umso besser. Mitten im Chaos der Küche setzte Laura Wasser auf, schob die Scherben mit einem Besen beiseite und machte Platz auf dem Küchentisch. Bei einer Tasse Tee begann Frau Soller von den alten Zeiten zu schwärmen, als alles noch in Ordnung gewesen war und Lauras Vater noch gelebt hatte. Erst als Laura demonstrativ ihre Aufräumarbeiten fortsetzte, begriff die Nachbarin, dass es an der Zeit war, hinüberzugehen.
» Wenn du etwas brauchst, Laura, oder reden möchtest – ich bin immer für dich da. Deine Mutter war ja so eine liebe Nachb a rin, und noch so jung … « Schluchzend wischte sie sich über die Augen.
» Danke « , erwiderte Laura und atmete auf, als sie wieder alle i ne war. Nun konnte sie damit beginnen, im Schlafzimmer alle Kle i dungsstücke in den Schrank zurückzuräumen, Bettwäsche und Handtücher in die Fächer zu stapeln, und all die anderen Sachen an ihren Platz zurückzubringen.
Als L etztes sortierte sie die Schmuckstücke, die ihre Mutter besessen hatte, in eine Sch a tulle aus rot lackiertem Holz zurück. Soweit sie die Sachen kan n te, schien nichts zu fehlen.
Es war ihrer Meinung nach auch nie etwas b esonders Wertvo l les dabei gewesen. Als Apothekenhelferin hatte ihre Mutter ger a de genug verdient, um über die Runden zu kommen, und auch von ihrem Mann hatte sie nie teuren Schmuck geschenkt beko m men.
Spät am Abend läutete Lauras Mobiltelefon.
» Hi Laura, ist alles in Ordnung? « , fragte Nina. Die Kollegin wusste genau, dass es nicht Lauras Art war, einfach zu gehen, ohne sich noch mal zu melden. Schluchzend erklärte Laura ihr, was geschehen war und Nina, vor Schreck und Mitgefühl z u nächst sprachlos, vers icherte ihr , dem Chef auszurichten, dass die Ko l legin in den nächsten Tagen wohl nicht zur Arbeit kommen wü r de.
Immer wieder kullerten Laura Tränen die Wangen hinunter, und eine Zeit lang rollte sie sich auf dem Bett zusammen, nac h dem sie Kissen und Bettdecke in Ordnung gebracht hatte. Dann setzte sie ihre Aufräumarbeiten fort. Untätig herumsitzen oder gar schlafen – dafür würde sie keine Ruhe finden. Ertl hatte vorg e schlagen, einen Kriminalpsychologen vorbeizuschicken, der darin geschult sei, Angehörige in Mordfällen zu betreuen. Aber Laura hatte abgelehnt, sie wollte niemand sehen, schon gar nicht einen Seelendoktor.
Immerhin reagierte der herbeigerufene Hausmeister schnell und reparierte notdürftig die Tür, um ein neues Schloss einzuba u en. Laura fühlte sich trotzdem sicherer, nachdem sie von innen den Schuhschrank da gegen geschoben hatte, auch wenn Ertl meinte, der Täter käme bestimmt nicht wieder. Schließlich hätte er die gesamte Wohnung auf den Kopf gestellt, und dabei entw e der gefunden, was er suchte, oder sich überzeugt, dass nichts von Wert vorhanden war.
Zwischendurch nickte Laura erschöpft auf dem Sofa ein, aber nur für kurze Zeit, dann schreckte sie wieder mit der Erinnerung an das Geschehene auf und setzte die sich selbst auferlegte Arbeit fort.
Gegen Morgen weckten sie Geräusche aus den anderen Wo h nungen, die davon kündeten, dass die Leute aufstanden. Völlig übermüdet war sie trotz der eingeschalteten Lampen auf dem Sofa fest eingeschlafen. Früher war Laura nie aufgefallen, wie hellh ö rig dieses Mietshaus war. Im Bad der darüberli e genden Wohnung rauschte das Wasser in der Dusche, die Toilettenspülung der Nachbarin nebenan wurde mehrmals betätigt, und bald darauf waren in
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