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Engelsleid (German Edition)

Engelsleid (German Edition)

Titel: Engelsleid (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inka-Gabriela Schmidt
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über den K opf bis zum anderen Ohr gebügelt , wie Laura solche Frisuren zu betiteln pflegte. Es war nicht zu übersehen, dass Herr Dr. Brandt unter seiner ausgedehnten Glatze litt, obwohl er mit seinem festen Hä n dedruck und dem direkten Blickkontakt einen selbstsicheren Ei n druck zu vermitteln versuchte.
    Das Büro war hell, mit hohen , schalldichten Fenstern zur Hauptstraße , die den Straßenlärm draußen hielten . Das Mob i liar aus dunklem Holz schien schon recht alt zu sein. Es zeigte an Kanten und Griffen Abnutzungssp u ren. Davon abgesehen jedoch war alles aufgeräumt und ordentlich. Von i r gendwoher drang ein Blütenaroma ins Lauras Nase und reizte ihre Schleimhäute. Mit Mühe unterdrückte sie ein Ni e sen.
    » Mein aufrichtiges Beileid, Frau Dennerwein. Bitte nehmen Sie Platz. «
    Dr. Brandt kam schnell zur Sache. Lauras Mutter hatte bald nach dem Tod ihres Mannes beim Notar ein Kuvert für ihre Toc h ter hinterlegt, das er nun in versiegeltem Zustand vor sie auf den Tisch legte .
    » Könnten Sie sich bitte ausweisen? Eine reine Formalität. «
    » Natürlich. « Laura reichte ihm ihren Personalausweis über den Schreibtisch, den Brandt aufmerksam las, und ihr sogleich zurück gab.
    » Wissen Sie, was drin steht? « , fragte Laura mit Blick auf das Kuvert.
    » Jein « , erwiderte ihr Gegenüber. » Ganz bestimmt das von mir beglaubigte und somit rechtsgültige Testament. Was Ihre Mutter vielleicht zusätzlich in den Umschlag gelegt hat, entzieht sich me i ner Kenntnis. « Er blickte Laura über den Rand seiner schmalen randl o sen Lesebrille hinweg an. » Wenn Sie Fragen zu Ihrer Erbschaft h a ben oder einen Rat benötigen, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. «
    » Danke. « Neugierig betrachtete Laura den Umschlag, der an einer Stelle ein wenig gewölbt war. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was der Umschlag außer dem Testament enthalten sollte.
    » Hier bekomme ich von Ihnen noch eine Empfangsbestät i gung . « Brandts Zeigefinger deutete auf eine g e punktete Linie in der unteren Hälfte der Seite.
     
    In einem nahe gelegenen Café suchte Laura sich einen Sitzplatz im hintersten Winkel, von wo aus sie den Raum überblicken und ungestört den Inhalt des Kuverts prüfen konnte. Die Wände waren in warmem Apricot gestrichen, der Übergang zur Decke von einer breiten Leiste unterbrochen, hinter der sich eine indirekte B e leuchtung verbarg. Zwischen den Tischen sorgten voluminöse Topfpflanzen für eine gemütliche Atmosphäre. Aus den Lautspr e chern klang in verträglicher Lautstärke aktuelle Popmusik.
    Das Café war etwa zur Hälfte gefüllt, die meisten Leute waren ein wenig älter als Laura, überwiegend Frauen, nur wenige Paare. Ganz gegen ihre Gewohnheit bestellte Laura sich zum Cappucc i no einen Cognac. Nervös klopfte sie mit dem Zeigefinger der linken Hand auf den Umschlag, der vor ihr lag, während sie lan g sam den Cognac trank. Allmählich wich die innere Kälte, die sie während des Notarbesuchs erfasst hatte. Ihr Herz klopfte aufg e regt, als sie das Siegel brach und das Kuvert vorsichtig öffnete. Selbst mit viel Fantasie fiel es ihr schwer zu verstehen, warum ihre Mutter es für nötig befunden hatte, ein notarielles Testament zu erstellen. Laura war ihre einzige Tochter. Es gab sonst ni e manden, der Anspruch auf das Erbe erheben könnte. Oder doch?
    Das Testament trug den Briefkopf des Notariats und war auf etwas festerem, schneeweißem Papier mit Wasserzeichen g e druckt. Eingebunden war es in eine Mappe aus strukturiertem Halbkarton. Eine blau-silberne Kordel mit Siegel verlieh dem Ganzen offizielles und bedeutungsvolles Aussehen. Sachliche Formalitäten leiteten den Text des Testaments ein. Wie erwartet , wurde Laura darin formell zur Alleinerbin erklärt. Dafür so viel Aufwand? Laura schüttelte den restlichen Inhalt aus dem U m schlag. Zum Vorschein kam en ein normales Briefk u vert ohne Fenster und zwei sehr kleine Schlüssel, die Ursache für die Wö l bung des Umschlags. Diesmal siegte Lauras Ungeduld, und sie riss das Kuvert grob mit dem Fingernagel auf. Sofort erkannte sie die gleichmäßige Handschrift ihrer Mutter. Was sie ihr darin mi t teilte, verwirrte Laura zusehends und warf neue Fr a gen auf: Was meint sie damit? Warum hat sie nie mit mir darüber gespr o chen?
    Unschlüssig drehte Laura die Schlüssel zwischen den Fingern hin und her und warf einen Blick auf die Uhr. Um heute noch herauszufinden, welches Geheimnis diese Schlüssel

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