Engelsleid (German Edition)
bestimmen wollte, gleichgültig , ob es um das Del e gieren eines Arbeitsauftrags ging oder um eine Beziehung. Es lag nun alleine an ihr, ob sie gewillt war, das zu akzeptieren und ihre Selbstbestimmung abzugeben oder sich auf einen Machtkampf einzulassen. Eigentlich wäre eine Schulter zum Anlehnen ganz angenehm, um sich nach dem Alltagsstress auszuruhen. Aber dafür war Giuseppe wohl kaum der Richtige?
Nachdem Laura sich umgezogen und die Kleider gegen eine beigefarbene Bluse mit kleinen Blüten, kombiniert mit einer he l len Leinenhose getauscht hatte, freute sie sich so richtig auf den Sp a ziergang durch den Park. Ein wenig schämte sie sich, dass sie in der Dunkelheit die Silhouetten der Steinskulpturen als unhei m lich empfunden hatte. Es waren doch nur Steine, und davon würde sie sich jetzt überzeugen und über sich selbst lachen. So wie über die Angst, die sie als Kind empfunden hatte, wenn sie für ihre Mutter in den Keller gehen und etwas von den Vorräten holen sol l te.
Ganz Profi nahm Laura Fotoapparat und Diktiergerät mit, um Informationen, die für ihren Artikel von Wichtigkeit waren, sofort aufzuzeichnen. Giuseppe nahm ihre Hand in seine und erklärte jovial: » Ich schlage vor, wir beginnen dort, wo auch die Touristen den Park betreten. Dann erhältst du den richtigen Einblick. «
Vom Parkplatz aus führte der Weg als erstes in ein kleines Gebäude, in dem sich der Kartenverkauf und ein Selbstbedi e nungsrestaurant befanden. Sofort inspizierte Laura das Angebot an Reiseführern durch den Park und bemängelte, nichts Deutsc h sprachiges zu finden.
» Zur z eit nicht « , entschuldigte Giuseppe. » Es kommen leider zu wenige deutsche Touristen vorbei. «
Na, das würde sich hoffentlich durch ihren Beitrag ändern.
Die nächsten eineinhalb Stunden waren angefüllt mit g e schichtlichen Hintergründen, Namen und Erklärungen zu den einzelnen Monstern, von denen die meisten bei Sonnenlicht b e trachtet tatsächlich eher wie freundliche Fabelwesen wirkten. In den Ritzen der rauen Oberfläche versuchten Gräser und Moos e ihren Lebensraum zu etablieren, weshalb es zu den Aufgaben eines fest angestellten Gärtners gehörte, diesem Wildwuchs rech t zeitig Einhalt zu gebieten. Giuseppe erzählte Laura, dass der g e samte Park sich wie in e i nem Dornröschenschlaf befunden hatte, bevor er wiederentdeckt und von den jahrzehntelangen Überw u cherungen befreit worden war. Noch heute würden sich vermu t lich unter Erde und Büschen Figuren verbergen, die man noch nicht entdeckt hätte, da es ke i nen Plan aus der Entstehungszeit gäbe, auf dem alles vermerkt sei. Nur ein paar Zeichnungen wü r den belegen, wie die Vegetation damals ausgesehen habe.
Lauras Erwartungen wurden erfüllt. Jeder an Geschichte und Kunst interessierte Besucher musste sich an dieser bildhauer i schen und architektonischen Wunderlandschaft begeistern, in der sich f antastische Skulpturen und Bauwerke tummelten, allesamt aus dem Vulkangestein der Umgebung geschaffen. Es waren mehrere Anläufe nötig, um Meeresgott Neptun, der überleben s groß mit einem Umhang aus Moos neben einem großen Bassin stand, ins Format ihrer Kamera zu bannen. Nicht alle Figuren zeigten friedvolle Szenen. Da gab es einen Drachen, der gerade ein kleines Monster verschlang und einen Riesen, der seinem Gegner die Gliedmaßen verdrehte. Besonders gefiel en Laura der von einem verwitterten Mahout geführte Elefant, der mit seinem Rüssel einen römischen Legionär umwickelt hielt , und das gefl ü gelte Ross Pegasus, das sich , von einer Fontäne getragen , in die Lüfte schwang. Die Zeit reichte nicht, sich an allem sattzusehen. Neben den Figuren, die ihr aus Mythen und Antikenerzählungen bekannt waren, gab es auch fremde Gottheiten, Nymphen, Harp y ien , einen Fisch mit Riesenmaul und eine gigantische Schildkröte, die unvermutet am Wegesrand zwischen dichtem Buschwerk au f tauchte. Es schien Laura beinahe, als hätten die Naturgesetze in diesem Park ihre Gültigkeit verloren. Ihr Gleichgewichtssinn rebellierte für einen kurzen Augenblick, als sie das geneigte Haus betrat und aus dem offenen Fenster zu Giuseppe hinabschaute, der auf dem Platz davor auf sie wartete.
» Hier befand sich früher der Eingang zum Park. Wann und warum man das geändert hat, weiß ich allerdings noch nicht. «
» Was bedeuten die Inschriften, die teilweise an Tempeln und Grotten in den Stein gehauen sind? « , fragte Laura, während sie langsam weitergingen, und
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