Engelslied
den Wimpern. »Wenn es dir hilft: Stell dir vor, dass ich die neue Kraft verdaue. Ein besserer Vergleich will mir nicht einfallen.« Sein nächster Kuss fiel um einiges wärmer aus. »Besser so,
Hbeebti?
«
Auch sein Flüstern hallte nicht mehr so nach, war intimer, und in dem Kokon, den seine Flügel um sie beide spannten, ruhte seine Hand begehrlich auf ihrem Busen.
Elenas Brust schien anzuschwellen, seine Hand ganz füllen zu wollen. Ein Schauder durchlief sie. »Das ist mal eine feine Art, eine Frau aufzuwärmen!« Das Eis seiner neuen Stärke war nach wie vor zu spüren, aber sie fühlte auch Raphaels Erektion an ihrem Unterleib, spürte ihren geliebten Raphael unter der eisdurchfluteten Haut eines Erzengels. »Am liebsten würde ich dich nach Hause schaffen und in unserem Schlafzimmer einsperren, bis du nicht mehr so kalt bist.«
Die Antwort war ein weiterer, stürmischer Kuss, dann drückte Raphael noch einmal ihre Brust, ehe er sie losließ und seine Flügel zusammenfaltete. »Später. Erst einmal musst du mit Illium die Stadtbevölkerung beruhigen.«
Sie ließ ihn ungern allein, solange er noch nicht wieder normal schien, aber er hatte ja recht, die Situation in der Stadt musste unter Kontrolle gebracht werden. Also küsste sie ihn rasch noch einmal, ehe sie davonflog.
Sollte dich urplötzlich das Verlangen überkommen, fleischfressende Tote wiederauferstehen zu lassen, sag Bescheid, damit ich kommen und dir solche Gelüste austreiben kann,
rief sie ihm aus der Luft zu.
Versprochen.
Als Elena wenig später nicht weit vom Fluss entfernt auf einem Dach landete, wusste sie immer noch nicht recht, was sie von dieser Entwicklung halten sollte, wo Flüsse Blut mit sich führten und seltsame neue Kräfte Kälte verbreiteten. Es hatte aufgehört zu schneien, an der feinen, federleichten Schneeschicht über der Stadt brachen sich Sonnenstrahlen. Von ihrem Dach aus hatte sie einen ungehinderten Blick auf den Fluss und die Menschen, die sich wild gestikulierend auf den Landungsstegen drängten – wahrscheinlich auf Passanten, die das seltsame Ereignis vorhin mit ihren Handykameras festgehalten hatten.
Wenig später schoben sich blaue Flügel mit glitzernden silbernen Handschwingen in ihr Sichtfeld, und ein Engel mit blitzenden goldenen Augen, in denen der Schalk lauerte, warf ihr einen Baseballhandschuh hin. »Komm schon, Ellie!« Illiums Linke steckte ebenfalls in einem Baseballhandschuh, in der Rechten hielt er einen Ball. »Wir wollen über dem Hudson Fangen spielen.«
Elena starrte ihn an. »Das ist dein großartiger Plan zur Beruhigung der Normalbevölkerung?«
»Hast du je mit Baseballhandschuhen bewaffnete Engel am Himmel Fangen spielen sehen?« Eine spöttisch hochgezogene Braue. »Genau!«
Warum eigentlich nicht, schaden konnte es wohl kaum. Elena folgte Illium zum Fluss, wo sie von drei weiteren Engeln der Turmbesatzung mit großem Jubel empfangen wurden. Die anderen wollten wissen, wo Illium so lange gesteckt hatte, denn sie hatten fest vor, ihm den Hintern zu versohlen. Illium konterte mit einer deftigen Beleidigung, und kurz darauf war am Himmel ein munteres Ballspiel nach Engelsart im Gange.
»Zum Teufel noch eins!« Hektisch tauchte Elena ab und stieg auf, während der Ball aus jeder nur denkbaren Richtung zu kommen schien. Sämtliche Spieler versuchten, ihn zuerst zu erwischen, beziehungsweise zu verhindern, dass er ins Wasser fiel. Elena war beileibe nicht so schnell und beweglich wie Illium und die anderen, konnte aber ganz gut mithalten, da sie ihren Kopf benutzte, um Winkel zu berechnen. So gelang ihr der eine oder andere überraschende Fang, und sie konnte Punkte auf ihrem Konto verbuchen.
Die Gruppe mochte zwei, drei Minuten gespielt haben, da hörten die Leute am Ufer auch schon auf, sich auf den Fluss und irgendwelche Filmaufnahmen zu konzentrieren. Sie suchten sich stattdessen am Himmel ihren Lieblingsspieler aus, um den dann jeweils anzufeuern. Fraktionen bildeten sich. Eine besonders unternehmungsfreudige Gruppe trieb sogar einen blauen Schal auf, der dann enthusiastisch geschwenkt wurde, sobald Illium durch eine fängerische Heldentat brillierte. Die Idee machte rasch Schule, und bald schwang jeder Fankreis seinen eigenen Schal. Der von Elena zeigte eindeutig das Gold der Gilde.
Elena lächelte, als sie das sah. Irgendwo da unten stand also ein Kollege!
Bald tauchte auch der erste Medienhubschrauber auf, der einen in einem Traggeschirr baumelnden Kameramann transportierte. Die
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