Engelslied
Nein.«
»Oh? Hm – nein?« Elena war froh darüber, wie glücklich Honor zu sein schien. Die Freundin hatte Furchtbares durchgemacht. »Dann scheint Dmitri ja gutes … Blut zu spenden.«
»Mein Mann«, hatte die lachende, immer noch hochrote Honor mit einem entzückenden Besitzerstolz in der Stimme verkündet, »spendet phänomenales … Blut.«
Der genannte Ehemann hatte seine Unterredung mit den beiden Schützen beendet und kam zu den beiden Frauen herübergeschlendert. Selbst in alten schwarzen Stiefeln, ebenso abgetragenen schwarzen Jeans und auch nicht mehr ganz neuem schwarzem T-Shirt, und obwohl er eigentlich nichts anderes im Kopf zu haben schien als die Verteidigung der Stadt und bestimmt nicht an hinterhältige Duftspielchen dachte, sprach irgendetwas an Dmitris gesamter Erscheinung von Sex. Von blutigem, schmerzhaftem Sex.
»Hast du Zeit?«
Elena beantwortete die knappe Frage mit einem ebenso knappen Nicken. Ihr Team hatte seine Arbeit beendet, sämtliche Krankenhäuser waren erfolgreich evakuiert worden. »Hättest du denn einen Job für mich?« Dmitri würde nie ihr Freund werden, und sie würde ganz sicher nicht in ihm sehen, was Honor so offensichtlich in ihm sah, aber wenn es darum ging, ihre Stadt zu beschützen, gab es zwischen ihnen keine gegensätzlichen Auffassungen.
»Die Teams der Gilde brauchen einen Berater mit Flügeln.« Er deutete mit dem Kinn auf ein Hochhaus. »Die beiden Teamleiter sind da drüben.«
Demarco und Ransom sahen auf, als Elenas Flügel beim Landen Wind aufwirbelten. »Ich höre, ihr braucht jemanden zur Beratung?« Sie sah zuerst Demarco an, dessen hellbraune Augen sie nicht zu fürchten brauchte. Von Ransom erwartete sie Kälte, davor hatte sie ein bisschen Angst. Sie sahen sich jetzt zum ersten Mal seit ihrer Auseinandersetzung über Raphaels Umgang mit Sterblichen.
»Ellie.« Demarco grinste sie an. Der Jäger war hochgewachsen, mit strähnigem, vom Wind zerzaustem blondem Haar. Er hockte vor einem Kreidestrich auf dem Boden, der wohl eine Verteidigungslinie darstellen sollte. »Unser Jägerengel höchstpersönlich!« Er richtete sich auf, damit sie sein senfgelbes T-Shirt bewundern konnte. »Wusstest du, dass sie die auf dem Times Square verkaufen?«
Der Aufdruck des T-Shirts zeigte die Silhouette einer mit Armbrust und Pistole bewaffneten Frau mit Flügeln, darüber in leuchtenden Buchstaben der Name
Elena,
darunter ebenso leuchtend
Jägerengel.
Elena rieb sich stöhnend die Augen. »Sieh zu, dass du diese Monstrosität loswirst, ehe ich erblinde!«
Demarco schmunzelte lediglich. Elena kauerte sich zwischen die beiden Männer. Jetzt ließ es sich nicht mehr länger vermeiden: Sie riskierte einen kurzen Seitenblick hinüber zu Ransom.
Dem schien es ähnlich zu gehen wie ihr: Auch er wusste nicht so recht, wie er ihr begegnen sollte. Letztlich warf er ihr dann doch ein leicht schiefes Grinsen zu. »Hallo.«
»Hallo!« Dann nahm er ihr wohl doch nichts übel. Elena war so erleichtert, dass es fast schon wehtat.
»Warum führt ihr euch auf wie zwei fette Schwuchteln auf ihrem ersten Date?« Verwirrt blickte Demarco von einem Kollegen zum anderen. »Habt ihr den Erzengel und die Bibliothekarin auf den Mond geschickt und es heiß und schmutzig miteinander getrieben? Muss ja grottenschlecht gewesen sein, wenn ihr euch jetzt nicht mal mehr anschauen mögt.«
»Demarco!«
,
knurrten Elena und Ransom unisono.
»Und damit wäre der unbehagliche Augenblick vorbei.« Demarco zwinkerte beiden zu. »Lasst uns über Engel, Armbrüste und Kugeln reden.«
Die nächsten zehn Minuten ging es um die optimale Positionierung von Geschützen. Dann wandten sie sich der Frage zu, wie die betreffenden Schützen, mochten sie nun mit einer Armbrust bewaffnet sein oder an den speziellen Geschossen zur Abwehr von Engeln sitzen, mit dem geringsten Aufwand den größten Schaden anrichten konnten.
Elenas Rat war simpel: »Auf die Flügel zielen.« Mit Armbrüsten und Flugabwehrgeschossen ließen sich die Engel in Lijuans Armee bestimmt nicht töten, dazu waren sie zu alt und zu stark. Aber wenn die Gildeteams die feindlichen Kämpfer lange genug außer Gefecht setzten, konnten die Unsterblichen an ihrer Seite die Arbeit zu Ende führen.
»Wir haben Armbrustscharfschützen, die so gut sind wie du, die absolut perfekt zu zielen verstehen«, widersprach Demarco, unter dessen unbekümmertem Äußeren sich ein stahlharter Verstand und unbeugsame Härte verbargen. »Man kann den Engeln
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