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Engelslied

Engelslied

Titel: Engelslied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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schwer sein, Zoe nicht bei sich zu haben. Soweit Elena wusste, war die Kleine bisher noch nie ohne einen Kuss von Mommy oder Daddy zu Bett gegangen.
    Ach, wenn sich doch Saras Worte als prophetisch erwiesen! Das hoffte Elena aus ganzem Herzen. Sie mussten diesen Krieg gewinnen. Zoe sollte wieder glücklich und sicher im Schnee spielen dürfen, voll Staunen und Freude im Herzen, wenn der Schatten eines Engelsflügels auf sie fiel. Elena hob eine schwarz-grau gefleckte Feder auf, die so aussah, als könnte sie von einem Schwadronskommandanten stammen, den sie gut kannte, und verstaute sie vorsichtig in einer ihrer Taschen, um sie später einmal Zoe schenken zu können.
    Eigentlich hatte sie Raphael suchen und nachsehen wollen, ob sich vielleicht ein paar Sekunden in seinen Armen herausschinden ließen. Aber als sie ihren Gemahl in der Gefechtszentrale fand, war er gerade in eine ernste Unterhaltung mit Jason vertieft. Sie mochte nicht stören und brauchte ohnehin frische Luft, also ging sie zur Balkontür des Raumes. Sie hatte die Tür gerade zur Seite geschoben, als irgendetwas sie aufsehen ließ. Der Anblick eines völlig unerwarteten Bildes an der Balkonkante ließ sie erstarren.
    Aodhan und Illium standen dort dicht beieinander, beide bewaffnet, beide verwundet, was bedeutete, dass sie erst vor Kurzem an der einen oder anderen kleineren Auseinandersetzung teilgenommen hatten, die am Rande des Verteidigungsrings praktisch ununterbrochen liefen. Aodhan hatte eine Schnittwunde auf der Wange und wohl auch ein, zwei Wunden an den Oberarmen, während Illiums rechter Flügel aussah, als hätte jemand mit einem Messer eine Kerbe hineingeschnitten. Die Verletzung sah allerdings nicht so aus, als würde sie Illium kampfunfähig machen. Sie schien auch bereits zu heilen.
    Aber nicht die Verletzungen der beiden hatten ihre Aufmerksamkeit erregt, sondern die Tatsache, dass sie so eng zusammenstanden. Ihre Flügel überlagerten sich sogar ein klein wenig. Aodhan war immer peinlich darauf bedacht, nur ja nicht unabsichtlich berührt zu werden – dies hier war auf keinen Fall unbeabsichtigt. Elena hielt sich am Türrahmen fest. Hier heilte jemand inmitten all der Schrecken, all der Schmerzen. Der Anblick rührte sie zutiefst. Sie wollte sich gerade zurückziehen, um auch diese beiden in Ruhe zu lassen, als sich Illium Aodhan zuwandte.
    Beide Engel waren groß, Aodhan vielleicht einen oder zwei Zentimeter größer als sein Freund mit den blauen Flügeln. Beide sahen sich einen Moment lang schweigend und ohne sich zu regen tief in die Augen, ehe Aodhan kaum merklich den Kopf senkte. Woraufhin Illium ganz langsam und zögernd die Hand hob, bis seine Finger auf Aodhans Wange ruhten, dicht unter dem Schnitt, der fast schon verheilt war. Ein erster Strahl Morgenröte brach sich an der Träne, die Illium die Wange hinabrollte, liebkoste Aodhan, der mit einem staunenden Ausdruck im Gesicht ebenfalls die Hand hob, um das Handgelenk seines Freundes zu umfassen.
    Die Kraft, die in diesem kurzen Augenblick der direkten Berührung steckte, raubte Elena fast den Atem.
    Dann flüsterte Illium lächelnd Aodhan irgendetwas zu. Auch Aodhan verzog kurz die Lippen – vielleicht hatte Illium ihn Fünkchen genannt. Dann lösten sich die beiden voneinander und schwebten in einer Symphonie aus wildem Silberblau und herzzerreißendem Licht vom Turm.
    »Raphael«, flüsterte Elena, denn sie hatte gespürt, wie er hinter sie trat. »Hast du das gesehen?«
    »Ja.« Seine Hand lag in ihrem Nacken, sein Daumen streichelte ihren Hals. »Natürlich war es Illium, der zu ihm durchdrang«, flüsterte auch er. »Sie sind Freunde, seit Illium Aodhan überredet hat, zum Grund der Schlucht zu fliegen – da war Illium jünger, als Sam jetzt ist und Aodhan sogar noch kleiner.«
    Elena hatte nicht gewusst, dass Illium älter war, Aodhan wirkte immer so nüchtern, so vernünftig. »Haben sie Ärger bekommen?« Sie drehte sich zur Seite, um ihren Gemahl ansehen zu können.
    »Ja. Der Grund der Schlucht ist weit von der Stadt entfernt, den Küken ist der Flug dorthin streng untersagt. Es ist noch nicht einmal so schwer, sich bergab rollen zu lassen. Aber junge Engel haben noch nicht genügend Kraft in den Flügeln, um auch wieder hochzukommen.«
    »Als sie gefunden wurden«, fuhr Raphael fort, indem er Elena enger an sich zog, »war natürlich allen klar, dass die Idee nur von Illium stammen konnte. Er hat sich den Schuh auch gleich angezogen, hat gar nicht erst versucht

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